Raus aus dem Hinterhof

Über den Bau neuer Moscheen in Deutschland

Es gibt ca.26oo Moscheen in Deutschland. Die meisten sind einfachste Gebetshäuse in Hinterhöfen oder im Niemandsland von Ausfallstrassen. Wenige  Moscheen sind an ihrer Gestalt erkennbar, geschweige denn daß ihre Form das städtische Umfeld prägt. Die klassische osmanische Moschee mit Kuppel, Zentralraum und Minarett, wie sie für die meisten türkischen Muslime in Deutschland die einzig denkbare Gestalt ist, ist eher selten, und wenn doch meist nur im Industriegebiet.
Diese Situation soll der Vergangenheit angehören. Überall in Europa und Deutschland, entstehen neue, prachtvolle Moscheen. Die Muslime wollen sich  nicht länger verstecken. Sie fordern für ihre Sakralbauten eine gleichberechtigte Anerkennung und Präsenz, wie sie für Kirchen, Synagogen und Heiligtümer anderer Religionen selbstverständlich ist.

Aber die Architektur der neuen Moscheen führt fast überall zu erbitterten Streitigkeiten, die in Wirklichkeit der Frage gelten, welchen Platz die Muslime in der westlichen Gesellschaft einnehmen sollen.

In Duisburg-Marxloh allerdings war der riesige Neubau mit der 23 m hohen Kuppel und den 34 m hohen Minaretten, der 2oo8 eingeweiht wurde, keine Konfliktarchitektur. Vor Ort gab es ein Wirgefühl der Zusammengehörigkeit. Man kannte sich von unter Tage. Das „Wunder von Marxloh“ wurde ohne protestierende Bürgerinitiativen realisiert. Dort wo früher ein altes Zechenhaus  als muslimisches Gebetshaus fungiert hatte, entstand eine neue  Moschee , die zusammen mit einer Begegnungsstätte von Seiten des Landes mit 3,2 Millionen gefördert wurde. Seit der Einweihung der Moschee steigen die Grundstückspreise der Umgebung.

Es gibt unterschiedliche Typen von Moscheen: die arabische Stützenmoschee, meist mit Flachdach, die persische Vier-Iwan-Hofmoschee und eben die in Deutschland häufige osmanische Kuppelmoschee. Aber eigentlich kennt die Moschee kein  formales Programm. Eine Kuppel ist nirgendwo vorgeschrieben, Minarette nicht und nicht der Ruf des Muezzin. Nur die Ausrichtung nach Mekka, wie sie im Inneren der Mihrab, die Gebetsnische, signalisiert, ist ein Muß. Also sind auch radikal neue Formen von einer ganz anderen als der bisher bekannten Gestalt und Ästhetik durchaus denkbar. Daß Moscheen darauf meist verzichten, hat mit der Gemeinde zu tun. Sie will häufig eine “Heimwehmoschee“, ein Begriff aus Holland, der nichts anderes bedeutet, als dass Muslime nach den Erinnerungsbildern aus ihrer Heimat verlangen.

Die neun Moscheen in Bonn sind größtenteils in Wohnbauten untergebracht und architektonisch nicht der Rede wert. Aber in Köln-Ehrenfeld soll 2o1o eine faszinierende Moschee für 12oo Gläubige fertig werden, die schon im Vorfeld in die Schlagzeilen geriet. Einerseits weil Ralph Giordano, der jüdische Schriftsteller, ihren Bau als „Landnahme auf fremdem Territorium“ bezeichnete, andererseits weil ihre Minarette 55 m hoch werden. Der futuristische Entwurf von Paul und Gottfried Böhm, bekannten Kölner Kirchenbauern und – selten – Ergebnis eines Wettbewerbes auch unter Nichtmuslimen, ist ein raumgreifendes Bauwerk, dessen Kuppel mehrfach aufgebrochen ist und einer Blüte ähnelt. Die Qualität dieses Entwurfes ist atemberaubend, nicht zuletzt in der Verschmelzung islamischer Tradition und westlicher Anmutung. Christian Welzbacher zählt ihn unter die bedeutendsten Beispiele einer „Euroislamarchitektur“, für die es zunehmend aufregende Beispiele gibt.

Ein Vorläufer der aktuellen Entwicklung war ein Wettbewerb im Jahre 2ooo für die Zentralmoschee in Straßburg. Der Architekt Paolo Portughesi gewann ihn mit einem restaurativ romantischen Entwurf. Doch der Befreiungsschlag für europäisch-islamische Architekten und eine kompromisslos zeitgenössische Moscheeform war der Wettbewerbsbeitrag von Zaha Hadid. Die gebogenen Linien, fließenden Formen und gekrümmten Wände ihrer kraftvollen Moscheevision, für die die Zeit wohl noch nicht reif ist, lassen sich aus der arabischen Kalligraphie ableiten.

Die Diskussion über Moscheen in Deutschland ist über ein Jahrhundert alt.
1841 ließ Friedrich Wilhelm IV in Potsdam ein Dampfmaschinenhaus in der Form einer Moschee mit Minarett von 36m Höhe errichten. Öffentliche Proteste gab es nicht. Umso heftiger waren diese bei der sog. Tabakmoschee in Dresden, die 19o9 von dem Unternehmer Hugo Zietz mit einem 62 m hohen Minarett, das als Schornstein fungierte, in Auftrag gegeben wurde. In beiden Fällen ging es den Bauherren nur um den exotischen Bautyp, nicht um eine inhaltliche Diskussion.
Bei zwei modernen Moscheen ging es genau darum. Sie stammen aus den 6oigern und wurden ohne Proteste errichtet. Die Imam Ali Moschee in Hamburg von Schramm-Elingius (196o-65) ist das eindrucksvolle Beispiel einer schönen, repräsentativen Moschee, die auf einem weiten Grundstück liegt. Sie ist selbstverständlicher Bestandteil von Architekturführungen. Die Bilalmoschee in Aachen von Steinbach –Kramer (1964-68) wirkt wie ein Vorläufer der heutigen Moscheen neuen Typs : der ungewöhnliche Bau mit dem von einem Halbmond gekrönten Turm ist nicht unmittelbar als Moschee erkennbar.

In allen Moscheen herrscht ein strenges Bilderverbot. Allah offenbart sich den Gläubigen im Wort des Korans. Insofern lebt eine Moschee vom Ornament, von Licht, Farben und besonderen Materialien. Die schönste Moschee neuen Typs im oberbayrischen Penzberg ist ein gutes Beispiel hierfür. Ihr Architekt, der Bosnier Alen Jasarevic schuf im Jahre 2oo5 in alpenländischer Gebäudeumgebung ein Meisterwerk, das Selbstbewusstsein mit Offenheit verbindet. Der filigrane Sakralbau lässt alle Eigenschaften der gewohnten Moschee hinter sich. In die Grundform eines einfachen Kubus ist die Moschee und ein Gemeindezentrum mit Bibliothek und Kindergarten integriert. Nur ein verkürztes Minarett weist auf ein religiöses Bauwerk hin. Eine beige Steinfassade und eine atemberaubende Glasfront öffnen das Innere nach Aussen. Wer das schlanke Portal durchschreitet, steht in einer lichtdurchfluteten Halle, dem Zentrum des Hauses. Im Betsaal fehlt jeder überbordende Schmuck. Geschnittene Steinornamente und klare Farben in leuchtenden Blautönen, bestimmen den Raum. Die Gebetsnische ist als halbrunde, transparente Skulptur vor die gläserne Qiblawand gestellt.

Der Architekt nennt den Bau „passend für kommende Generationen“. Er sieht in ihm die Entwicklung der Moschee in Deutschland auf einem innovativen Weg. So sehr das mutige Gebäude viele traditionelle Muslime irritiert hat, so sehr nimmt seine äussere Schönheit und kontemplative Atmosphäre inzwischen auch  Skeptiker für sich ein.