Der Museumsbau der letzten Jahrzehnte

Ein nicht vollständiger Streifzug

Einleitung

Man kann von weit über zweihundert neuen Museen seit Anfang der 5oiger Jahre in Deutschland ausgehen. Dazu gehören die Wiederherstellung älterer Bauten, Erweiterungen oder Neubauten. Ein  Ende dieser als Museumsboom bezeichneten Entwicklung ist nicht abzusehen. Die Zahl umfasst Museen aller Art, volks- und heimatkundliche Museen, Geschichtsmuseen, Technik- und Verkehrsmuseen, naturkundliche Museen und Kunstmuseen. Letztere sind es vor allem, die eine kontroverse Auseinandersetzung über die Architektur von Museumsbauten bewirkt haben. Architekten entwerfen Museen als stille Orte für die Kunst, als extravagante Architekturkathedralen, als Museumsmaschinen, als Werbeikonen, als städtebauliche Höhepunkte à la Bilbao, die als touristische Attraktionen zum wirtschaftlichen Angelpunkt der Stadtentwicklung werden. Denn den einen museologisch oder architektonisch richtigen Museumstyp gibt es nicht, nur eine Fülle individueller und auch konkurrierender Konzepte. Was der Kirchenbau in den 1950er Jahren und der Schulbau in den 1960er waren, ist seit den 1970er Jahren der Museumsbau, der zunächst nur zweckbestimmter Nachholbedarf war, inzwischen jedoch Züge kommunalen Wettbewerbs zeigt. Angesichts der schieren Fülle und der wachsenden Finanznot der Träger geht letzteren aber langsam der Atem aus. Zunehmend übernehmen private Sammler als Bauherren die Ausstellung der Kunst.

Museumsarchitektur ist seit Anfang der 1970er Jahre die führende gestalterische Architekturaufgabe geworden. Das liegt nicht nur daran, dass Museumsbau von allen Beteiligten als besondere Baukunst verstanden wird, womit Laszlo Glozers Auffassung, das beste Museum sei dasjenige, an dessen Besuch man sich hinterher nicht mehr erinnere, eine Einzelmeinung geblieben ist. Der Museumsbau gibt Architekten die Chance innovativer Gestaltung, was nicht zwingend mit Selbstverwirklichung, wie ihnen häufig vorgeworfen wird, zu verwechseln ist. Kaum andere Bauaufgaben haben heute noch diesen Grad an konzeptioneller Freiheit.

Eben diese gestalterische Freiheit im Museumsbau hat Deutschland seit den 1950er Jahren eine weltweit einzigartige Bandbreite an neuen Museen beschert. Sicher gibt es in anderen Ländern noch kühnere Entwürfe, aber in keinem Land der Welt existiert eine solch grosse Zahl qualitätvoller Museumsbauten. Die Deutschen sind Weltmeister im Museumsbau.

Dieser Beitrag kann nicht auf alle Museumsbauten nach 1945 eingehen. Die Auswahl ist deshalb begrenzt und subjektiv. Sie versucht jedoch, alle Bauten zu erwähnen, die die Entwicklung bis heute konstruktiv beeinflusst haben. Der Beitrag konzentriert sich ferner weitgehend auf Kunstmuseen, weil sie die gestalterische Diskussion um Aufgabe und Rolle des Museums im 2o.Jahrhundert am stärksten thematisiert haben. Da es bis Anfang 2ooo auch keinen Museumsneubau in der früheren DDR und danach in den neuen Ländern gab, bezieht dieser Beitrag Museen in Ostdeutschland erst seit diesem Zeitpunkt ein. Denn die besten Museumsbauten dort werden teilweise erst heute fertig z.B. die Museen der Berliner Museumsinsel. Der Beitrag folgt den Jahrzehnten seit 1945, wobei sich die Entstehung neuer Museen nicht auf das Jahr abgrenzen lässt.

Die 1950er und 1960er Jahre

Der Neuanfang im Museumsbau nach dem Ende des 2.Weltkrieges kommt mit ziemlicher Verspätung. Zunächst stehen dringlichere Bauaufgaben auf der Tagesordnung der Notwendigkeit, von Wohnungen über Schulen bis zur Wiederherstellung der zerstörten Infrastruktur. Als 1957 nach vierjähriger Bauzeit das Wallraff-Richarz-Museum von Rudolf Schwarz in Köln eröffnet wird, hatten zwei Museen im Ausland, das Kunstmuseum in Glarus/ Schweiz und das Stedelijkmuseum in Amsterdam Entwicklungen vorgegeben, denen auch der Museumsbau in Deutschland folgen wird: leicht wirkende, transparente  Bauten, Innenhöfe, ein grosser Ausstellungsraum mit freiem, orthogonalen  Grundriß, Raum hohe Glaswände, die eine bis dahin ungewohnte Fülle Licht in das Museumsinnere hineinlassen. Diese Baukonzeption wird von einigen der besten Neubauten übernommen; sie ist als Absage an die massiven, monumentalen Bauten der Nazis z.B. Haus der Kunst in München und als Kennzeichen einer neuen Weltoffenheit zu verstehen.

Das Wallraff-Richarzmuseum wird heute als eher schlichter Bau empfunden, dem man nicht mehr ansieht, dass er damals so heftig diskutiert wurde wie Jahre später die Staatsgalerie in Stuttgart von James Stirling. Die nüchterne Sachlichkeit des Baus steht 1957 für einen fundamentalen musealen Neuanfang. An seine  Zurückhaltung und fast mönchische Strenge muß sich der Nachkriegsbesucher erst noch gewöhnen. Der Neubau entwickelt sich um einen verglasten Innenhof, der die Reste eines mittelalterlichen Kreuzganges bewahrt. Die grosse Eingangshalle wurde von Kritikern damals als purer Raumluxus abgetan. Schwarz respektiert historische Baufragmente in situ, setzt seine sparsame Gestaltung aber mutig und dennoch einfühlsam dagegen und wahrt alte Bezüge. Ähnlich radikal und sensibel schafft Sep Ruf den Aus- und Umbau des Germanischen Museums in Nürnberg (1964). Auch das Gutenbergmuseum in Mainz von Rainer Schell (1962), einem der besten, heute  vergessenen Architekten der Nachkriegszeit öffnet sich wie die vorher genannten Museen in umlaufenden grossen Fenstern dem Licht, dessen zerstörerische Wirkung auf die Ausstellungsgegenstände im Vergleich zu der gewollten Transparenz relativ vernachlässigt wurde. Das wohl eindrucksvollste Museum aus dieser Zeit ist das Wilhelm-Lehmbruck-Museum in Duisburg (1964). Der Architekt Manfred Lehmbruck baut für den berühmten Bildhauer, seinen Vater, den er kaum kannte, und dessen plastisches Ouevre einen schlichten Bau, dessen konzentrierte Stille ihn bis heute zu einem eindringlichen Stück Baukunst macht. Die Abstufung des großzügigen fliessenden Ausstellungsraumes auf verschiedenen Ebenen entwickelt sich um einen zentralen, lichtgebenden Innenhof. Dieses Haus in der Sparsamkeit seiner Linienführung und in der Radikalität des Materiales – Beton – ist wie andere Museen dieser Zeit eine Absage an die musealen Prunktempel des 19.Jahrhunderts.

Die Stimmungslage der 1950er und 1960er Jahre ist Sachlichkeit und Ehrlichkeit der „Baugesinnung“, die nichts versteckt oder vortäuscht. Dieser Haltung entspricht eine kleine Gruppe von Museen, zu denen u.a. das Ernst Barlach Museum von Werner Kalmorgen in Hamburg (1962) und das Brücke Museum in Berlin von Werner Düttmann (1967) gehören. Beide Häuser sind zurückhaltende weisse Solitäre, die Intimität und Großzügigkeit miteinander verbinden und sich zu ihrer Umgebung öffnen.

Völlig aus der Reihe der Museumsbauten dieser Zeit fällt das Historische Museum am Hohen Ufer in Hannover von Dieser Oesterlen (1966). Mit den bereits genannten Museen teilt der Bau seine Transparenz, die Entwicklung um einen Innenhof und den geschickten Umgang mit vorhandener alter Bausubstanz. An diese biedert sich der Neubau nicht an, will sie nicht dominieren, vielmehr integriert er sie geschickt. Rein äußerlich jedoch setzt das Gebäudeensemble, das in der Rundung seiner zurück gestaffelten expressiven Fassade virtuos auf eine Biegung der Strasse reagiert, die von kleinen, spätmittelalterlichen Fachwerkhäusern gebildet wird, neue qualitätvolle Akzente im Miteinander von Alt und Neu.

Gegen Ende der 1960er Jahre spielt Deutschland wieder politisch eine stärkere Rolle. Auch architektonisch ist Westdeutschland für Architekten aus dem Ausland interessant, nicht zuletzt im Museumsbau. So wird Mies van der Rohe, als ein Akt der Wiedergutmachung für seine Emigration aus Nazideutschlan in die USA, der Bau der Nationalgalerie in Berlin  angeboten. Sie wird 1968 als städtebauliches und architektonisches Gegenstück zur Philharmonie Scharouns eingeweiht. Dieser transparente Bau , der, auf einem hohen Sockel gelegen, durchaus Ähnlichkeit mit einem Tempel hat, ist zwar ein eindrucksvolles Haus, aber die dominante Architektur stellt alle im Erdgeschoß gezeigte Kunst in den Schatten. Die eigentlichen Ausstellungsräume im Untergeschoß haben keine besonderen Qualitäten. Mies hatte den Bau auch nie als Museum geplant, sondern zog dafür den Entwurf eines nie realisierten Verwaltungsbaus eines amerikanischen Getränkekonzerns aus der Schublade. Ähnlich schwierig wie die Nationalgalerie als Museum ist das Bauhaus Archiv am Landwehrkanal von Walter Gropius, der ebenfalls in die USA emigriert war. Das Bauhausarchiv wurde zwar erst 1978 eröffnet, aber ihm liegt ein Entwurf zugrunde, der 1964 für Darmstadt entwickelt worden war. In Berlin wurde dieser Entwurf unter völlig anderen Bedingungen realisiert. Auch dies kein Nachweis eines grossen Entwurfes: die Silhouette ist zwar prägnant, aber das Grundstück ist sehr beengt. Man betritt das Haus quasi durch die Hintertür, das Innere ist wenig überzeugend. Auch der Museumsbau von Philipp Johnson, die Kunsthalle in Bielefeld (1968), ist unter Architekturgesichtspunkten enttäuschend. Johnson, der als Schüler von Mies van der Rohe für zierliche Glaskonstruktionen in den USA bekannt war, realisierte hier unverständlicherweise einen aussen auf das Monumentale fixierten Bau, der bis heute befremdet und in der Museumslandschaft der Nachkriegszeit einzig dasteht. Alle drei Häuser dieser internationalen Meister sind keine beispielhaften Museumsbauten und haben auch nicht prägend gewirkt.

Die 1970er Jahre

Es ist die Hoch-Zeit anonymer Architektur. Die Industrialisierung und Vorfertigung im Bauen, die in den 1960er Jahren beginnt und in den 1970ern ihren Höhepunkt erlebt, führt zu einem Unbehagen am Übermaß von Einheitlichkeit in der Architektur. Der mit der Industrialisierung einhergehende Abriß alter Bausubstanz und die Vernichtung alter städtischer Quartiere sowie der autogerechte Ausbau der Innenstädte und ihre Übernahme durch Banken und Kaufhäuser führt zu öffentlichen Protesten. „Rettet unsere Städte jetzt“, heißt eine öffentliche Kampagne. Die Einführung des Europäischen Denkmalschutzjahres 1975 stoppt die zerstörerische  Entwicklung, aber es braucht ein Jahrzehnt, bevor die Kritik an einem weltweit einheitlichen funktionalen Bauen durch die sog. postmoderne Architektur mit ihren unterschiedlichen gestalterischen Neuansätzen zum Tragen kommt.
Der Museumsbau der 1970er Jahre macht die Ausnahme von dieser Entwicklung. Er beflügelt nach wie vor die kreativen Vorstellungskräfte der Architekten und führt wie in den Jahrzehnten vorher zu Lösungen von grosser Bandbreite und Originalität. In den 1970ern liegen die Anfänge einer Entwicklung, die in den folgenden Jahrzehnten alle Aspekte des Museumsbaus – als freie Skulptur, als Supermarkt, als Maschine, als touristisches Highlight- durchspielt und baut.

Das vielleicht Aufsehen erregendste Museum der 1970er Jahre ist das 1977 von Renzo Piano und Richard Rogers in Paris fertig gestellte Centre Pompidou. In seiner extremen Form und seiner technoiden Ästhetik, die die gesamte, sonst versteckte Haustechnik frei sichtbar zu Elementen der Fassade nach aussen legt, bleibt es jedoch ein Einzelfall, der in Deutschland keine Nachahmer findet. Zwar hält die neue Kommunikationstechnologie mit Video und audiovisuellen Errungenschaften Einzug in die Museen, aber das Museum als Maschine wie das Centre Pompidou bleibt auf Paris beschränkt.

Ausgeprägt dagegen in der Zahl ihrer Beispiele sind die Museen des sog.Brutalismus, einer aus England und Japan stammenden Richtung im Bauen. Sie nutzt als vorrangiges Baumaterial den „béton-brut“, einen roh belassenen Beton, der unkaschiert und unverkleidet gezeigt wird. Die konsequente Anwendung des Betons ist auch als Protest einer jüngeren Generation gegenüber ihren Vätern zu verstehen, denen sie Anpassung vorwerfen. Das extremste Beispiel dieses Brutalismus ist das Historische Museum Frankfurt (1972).Es soll in Kürze abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Das Staatshochbauamt als Architekt errichtete einen breit gelagerten modernen Bau, der sich von seiner historischen Nachbarschaft bewusst, aber wenig sensibel absetzt und nur in seiner Höhe auf die bestehende Bebauung reagiert. Selbst-bewußt gegenüber dem Dom behauptet sich auch das als Schrein konzipierte Diözesanmuseum in Paderborn von Gottfried Böhm (1974). Der bleiverkleidete Betonbau ist architektonisch anspruchsvoll, aber als Museum  bautechnisch voll gravierender Mängel. Im Gegensatz zum völlig geschlossenen Obergeschoß war das Untergeschoß völlig verglast, so dass der Bau zu schweben schien. Der über alle Geschosse offene Ausstellungsraum war auf Grund der frei im Raum verteilten Ausstellungsgegenstände ein Ereignis für Fotografen, klimatechnisch jedoch eine Katastrophe. Inzwischen sind diese Mängel behoben, die Architektur Böhms aber wurde dabei grundsätzlich verändert. Selbstbewußt bis heute ist die Architekturskulptur des Sprengelmuseums in Hannover von Peter und Ursula Trinkt (1979). Das grosse Haus mit seinen ruhigen Ausstellungsräumen bietet im Zusammenspiel von Aussen und Innen schöne Raumerlebnisse. Ein Museum der ganz anderen Art ist die Spannbetonschale des BMW Museums in München von Karl Schwanzer (1973). Zusammen mit dem „Vierzylinger“ des Verwaltungshochhauses bildet das dynamisch wirkende Museum ein einzigartiges Ensemble, dessen zeichenhafter Charakter bis heute überzeugt und ohne Nachahmer ist.

Die BMW Schale gehört zu den sog.Dunkelmuseen, aus konservatorischen  Gründen fensterlosen Bauten, die es nur in dieser Zeit gibt und die ein Versuch sind, gegen die transparenten Museen der 1960er und 1976er eine Alternative zu etablieren. Das spektakulärste Beispiel ist dafür wohl die faszinierende, im Halbdunkeln inszenierte Ausstellung von Objekten der Südsee in einer ansonsten banalen Architektur: Fritz Bornemanns Völkerkundemuseum  in Berlin-Dahlem (1970). Psychologische Gründe führen in der Folge zu einer Aufgabe von Dunkelmuseen. Das Publikum tut sich schwer mit der Abgeschlossenheit ohne Kontakt nach aussen. Nicht zuletzt die hohen Folgekosten stoppen dieses Entwicklung dann völlig. Das Römisch- Germanische Museum in Köln (Heinz Röcke, 1974) inszeniert seine Schätze zwar weitgehend vom Tageslicht abgeschlossen, doch im Erdgeschoß öffnet sich das Haus zum Dom. Während sich das Diözesanmuseum Paderborn selbstbewusst neben den Dom stellt, gibt sich das Kölner Haus bis zur Selbstaufgabe schlicht und ordnet sich der Nachbarschaft des gotischen Domes  unter. Daß es auch anders geht, wird das Wallraff- Richarz-Museum/ Museum Ludwig an benachbarter Stelle in den 1980ern deutlich machen.
Es gibt Museen in den 1970er Jahren, die unprätentiös und schön sind und in ihrer Architektur fast zeitlos, da sie sich keinem gestalterischen Zeitgeist zuordnen lassen. Eines davon ist das Limesmuseum in Aalen (Knud Lohrer/Dieter Herrmann, 1980), dessen transparenter Baukörper und seine Einpassung in die umgebende Landschaft es zu einem kleinen Juwel machen. Ein Glücksfall für die deutsche Museumslandschaft ist das Museum für ostasiatische Kunst in Köln (1977) von Kunio Mayekama. Auch dieser Bau nach japanischem Vorbild fügt sich vorbildlich in die Situation am Aachener Weiher ein und beeindruckt durch die Ruhe und Unaufgeregtheit seiner Architektur. Beeindruckend auch Hans Scharouns Schifffahrtsmuseum Bremerhaven (1975). Die schiffsartige Silhouette des Hauses in grau weissem Klinker passt sich gut in die Umgebung des Hafens ein, das eigentliche Faszinosum des Baus ist jedoch seine fließende Innenraumlandschaft auf terrassenförmig versetzten Ebenen, die über grosse Fenster den Kontakt nach aussen zur Schiffsszenerie hält. Das Museum, in dem große Objekte wie Schiffe gezeigt werden, ist das gute Beispiel einer Architektur, der die schwierige Balance zwischen Geborgenheit und Offenheit gelingt.

Das Europäische Denkmalschutzjahr 1975 lenkt im Sinne des Architekten und Architekturtheoretikers Leon Krier und seines Leitsatzes „Vorwärts, wir müssen zurück“ die allgemeine Aufmerksamkeit wieder auf die Geschichte, auf die Wichtigkeit sorgsamer Details in der Architektur, auf Proportionen, Ornamente, Farbe, auf den Reichtum und die Kombination unterschiedlicher Materialien, wie sie oft alte Architektur auszeichnen. Im Bauen beginnt eine neue Diskussion über die Schönheit alter Bauten und deren Kombination mit zeitgemässer Architektur. Ein Meister in der Fügung von Alt und Neu ist der Eichstätter Diözesanbaumeister Karljosef Schattner. Sein Juramuseum in Eichstätt (1976) in der alten Willibaldsburg setzt konsequent, aber manchmal grob alte Bauteile wie Gewölbe gegen eine moderne Betonkassettendecke, eine Haltung, die sich im Diözesanmuseum Eichstätt (1982) fortsetzt, hier aber von geschickterer Hand, sensibel und raffiniert. In dem mittelalterlichen Kipfenberger Kornspeicher, dessen alter hölzerner Dachstuhl erhalten und mit einer Stahlkonstruktion unterfangen wurde, sind die neuen maßstäblichen Bauteile gegenüber der historischen Bausubstanz konsequent sichtbar gemacht. Das Museum ist ein Nachweis dafür, dass die behutsame Konfrontation zeitgemässer und alter Bausubstanz beide in ihrem Wert und in ihrer Wirkung steigern kann.

Zwei Museen der 1970er Jahre seien hier besonders erwähnt, die Neue Pinakothek von Alexander von Branca (1981) in München, weil hier erste Anzeichen postmoderner Gestaltung deutlich werden, und das Abteimuseum von Hans Hollein in Mönchen-Gladbach (1981), das am eindeutigsten in dieser Zeit mit dem Kanon eines traditionellen Museums bricht. Die Neue Pinakothek, von der französischen Tageszeitung Figaro auch  Anti Centre Pompidou genannt, ist eine seltsame Mischung aus Monumentalität und historistischer Formensprache. Die grosse Eingangshalle wirkt wenig einladend, die traditionellen Ausstellungsräume mit ihrer konsequent einfachen Wegeführung und der guten Beleuchtung durch Sheds dagegen sind überzeugend. Ein krasserer Gegensatz des Museums Abteiberg zu der Containerarchitektur des Centre Pompidou ist nicht denkbar. Das Museum wurde programmatisch von Johannes Cladders, dem Direktor, als Gesamt-Kunstwerk geplant und der Designer Hans Hollein, dessen erster Bau dies war, war dafür der ideale Umsetzer. Die vorrangige Leistung des Baus ist städtebaulicher Natur. Das Haus stuft sich über Terrassen langsam wie ein  Weinberg in die Höhe. Es ist eine gebaute Landschaft, in der die Einzelbauten eine komplexe Beziehung zueinander eingehen. Das Erlebnis der ästhetischen Gesamtdarstellung in den verschiedenen Funktionen und Materialien des Baus ist überzeugend wie bei einem Schmuckstück. Das Konzept ist nicht linear, sondern baut auf einer Matrix vielfältiger Überschneidungen von Raum, Erschließung, Blickbeziehung und auf der kunstvollen Verklammerung fließender Räume mit pointiert gestalteten Kabinetten auf, die den Exponaten wie Handschuhe passen. Hollein verstand den Bau „als autonomes Kunstwerk für Kunstwerke und Menschen.“

Die 1980er Jahre

Die Innenstädte, die in den 1960er und 1970er Jahren heruntergekommen sind, deren alte Quartiere teilweise abgerissen wurden, sind in der Zwischenzeit liebevoll wiederhergerichtet. Das Europäische Denkmalschutzjahr hat Stadtlust geweckt, Stadtfrust – die Unzufriedenheit der Menschen mit der Entwicklung der historischen Städte – ist am Ende. Zur neuen Attraktion der Städte gehören die Museen und ihre meist aufregende Architektur. Die Bundesrepublik, die aus der Sicht des Auslandes bis in den Anfang der 1980er Jahre ein Jammertal der Architektur war, wird zum Mekka vieler Architekturinteressierter. Es sind nicht nur die Museumsneubauten, die faszinieren, sondern häufig ist es der Umbau alter Villen als Museum bzw. deren Integration in neue Museenensembles. Eines der spannendsten Projekte dieser Zeit ist das Museumsufer Frankfurt. Die Rettung der alten Bürgervillen am Mainufer ist eine städtebauliche Großtat, die in der Bundesrepublik einzig ist.

Die spannende Architektur vieler Museen ist der Postmoderne geschuldet, ein aus der Literatur stammender Begriff, der 1975 von dem englischen Architekturhistoriker Charles Jencks auf Erscheinungen der Gegenwartsarchitektur übertragen wird. Man versteht darunter den Aufbruch des Rationalismus und eines weltweiten Funktionalismus aus seinem formalen und materiellen Purismus, seiner Zweckmässigkeit und Schmucklosigkeit. Die Postmoderne in der Architektur befördert wieder den Rückgriff auf den formalen Reichtum der Geschichte, Ornamente und Schmuckformen. Sie fördert eine sprechende, anschauliche Architektur – „fiction statt function“, so Heinrich Klotz, der Gründungsdirektor des Deutschen Architektur Museums in Frankfurt a.M.. Die Postmoderne ist aber grundsätzlich keine Architekturtheorie, keine Ideologie und lässt sich stilistisch nicht eindeutig fassen.

In Stuttgart errichtet der Engländer James Stirling 1984 das postmodernste Museum Deutschlands, einen grossen Anbau an die alte Staatsgalerie, die er in ihrer Höhe maßstäblich aufnimmt. Die eigentliche Leistung des Neubaus ist eine städtebauliche, denn der Bau treppt sich über einen Hang ab und verbindet ein höher gelegenes Wohnviertel mit der Innenstadt. Das neue Haus ist ein Bau zwischen grellem Pop und natursteinverkleideter Monumentalität, schrill und bunt, auf Werbewirksamkeit angelegt, eine Kulisse für Mode- und Auto-fotografie, während die Ausstellungsräume traditionellen Sälen des 19. Jahrhunderts gleichen. Eher der klassisch modernen Ästhetik als der Postmoderne verpflichtet ist der extravagant schwingende Bau der Kunstsammlung Nordrhein- Westfalen  am Grabbeplatz in Düsseldorf, heute K 20 genannt. Aussen besticht das Haus (Dissing/ Weitling, 1986) mit dem dunklen Charme und der Form eines Steinwayflügels, während die Ausstellungsräume auf Grund der markanten Architektur ihrer Sheds an die weisse Eleganz von Schiffen erinnern.

Stirlings Anbau in Stuttgart bildet mit der alten Staatsgalerie ein Ensemble, das den Altbau kontrastierend ergänzt, während die Kunstsammlung Düsseldorf als Einzelbau errichtet wurde. Letzteres ist für die 8oiger Jahre eher untypisch, weil man beginnt, in Kulturkomplexen zu denken. Dazu gehören z.B. die zahlreichen Bauten auf der Museumsinsel Hombroich bei Neuss oder die Museumsmeile Bonn, deren Einzelbauten zwar individuelle Entwürfe darstellen, die aber eine Art Kunst- Quartier bilden. So entsteht 1986 hinter dem unscheinbaren archäologischen Museum in Köln unmittelbar zu Füssen des Domes das raffiniert inszenierte, backstein- und blechverkleidete Wallraff-Richarz-Museum/ Museum Ludwig, dessen Erdgeschoß als städtische Passage genutzt werden kann (Busmann & Haberer). Die eigenartige Silhouette der Sheds kontrastiert wirkungsvoll mit dem Dom, die Orientierung des Museums selbst antwortet differenziert zum Rhein und zum Kölner Bahnhof hin. In diesem Sinne ist das Museum, das zusammen mit dem Bau einer unterirdisch im Bereich des Rheinwassers gelegenen Philharmonie realisiert wurde, fast eine Art städtischen Gelenkes. Ein anspruchsvoller Einzelbau, der seinesgleichen in der Museumslandschaft sucht, ist das Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim von Ingeborg Kuhler (1990). Im Niemandsland des östlichen Stadteinganges zwischen Schnellstrassen, Eisenbahnschienen, Fabriken und langweiligen Bürobauten ist das Haus ein einsamer architektonischer Höhepunkt. Die kühle Eleganz des klassisch modernen weissen Baus und seine komplexe Ordnung und Dynamik signalisieren eine ungewöhnliche bauliche Offenheit. Der Ausstellungsraum ist als Rampe konzipiert, die der Besucher von oben nach unten hinab schreitet – ein Konzept für einen Weg durch ein Museum, der für Deutschland einzigartig ist.

Einzigartig ist auch das erwähnte Museumsufer in Frankfurt. Die Stadt, bis in die 1970er Jahre hinein der Inbegriff des kapitalistischen „Mainhattans“ hat durch sein Museumsufer, das vierzehn alte und neue Bauten umfasst, sein bis dahin schlechtes Image umgekehrt. Dabei ist die geografische Metapher des Museumsufers nicht ganz korrekt. Einige Bauten liegen nicht am Mainufer, sondern im Herzen des mittelalterlichen Frankfurts in nächster Nähe zum Dom. Die vier bedeutendsten Bauten dieses Museumsufers sind das Deutsche Architektur Museum von Oswald Mathias Ungers (1984), das Museum für Kunsthandwerk von Richard Meier (1985), das Postmuseum – heute Museum für Kommunikation - von Günter Behnisch (1985) sowie das von Hans Hollein errichtete Museum für moderne Kunst (1991), Bauten, die in ihrer selbst- und formbewussten Architektur nicht unterschiedlicher sein könnten. Der exzentrischste und abweisendste Bau ist zweifellos das DAM. Ungers kernte die alte Villa komplett aus und stellte auf fünf Ebenen ein Haus im Haus in sie hinein, das sich in seiner Konstruktion nach oben immer mehr verdichtet und unter dem Dach in einer Art Tempel endet. Die Architektur feiert sich in diesem Bau selbst, ideal, erhaben und monumental, so klein das Haus auch ist.  Nichts lenkt von der puristischen Klarheit des weißen Gebäudes ab, leer ist es am überzeugendsten, ein Denkmal seiner selbst. Für Ausstellungen ist das Haus wenig geeignet, da es nicht flexibel zu handhaben ist. Ungers andere Museen – das Museum der Gegenwart in Hamburg (1997) und das Wallraff-Richarz Museum in Köln (2000) – sind wesentlich funktionaler geplant als das DAM, das so etwas wie seine gebaute Philosophie darstellt. Das Museum für Kunsthandwerk ivon Richard Meier ist das Gegenteil des DAM. Es ist ebenfalls ein ästhetisch-puristischer Bau. Doch seine Faszination liegt in der Gegenüberstellung zu der alten Villa Metzler, die der Neubau als räumlichen Maßstab für sich nimmt und daraus die drei Kuben entwickelt, aus denen er besteht. Ein darüber gelegtes zweites Raster ist um 3,5 Grad gedreht und gibt  dem einzigartigen und eleganten Ensemble eine innere Spannung. Wie alle Bauten Meiers ist auch dieser von strahlendem Weiß, spannend in seinen von Aus- und Durchblicken beherrschten Innenräumen. Leider geht bei diesem Museum wie auch bei Meiers kürzlichem Arpmuseum in Remagen bei Bonn (2007) die Transparenz bei Sonne völlig verloren, weil der Sonnenschutz die beiden Häuser undurchsichtig macht. Das Postmuseum (1985) integriert wie das DAM eine alte Villa, legt aber auf das grosse Grundstück daneben einen transparenten Anbau aus Glas und Stahl. Dessen Kennzeichen, ein schräg gestellter Zylinder, schaufelt das Licht geradezu in die unterirdischen Ausstellungsräume hinein, wo der Neubau mit der Villa verbunden ist. Das Haus ist bis heute der dynamischste Bau des Museumsufers und kommuniziert seine Funktion über die besondere Form und Gestaltung.

Je mehr sich die 1980er Jahre ihrem Ende nähern, umso ambitionierter werden die Bauten für die Kunst. Dies gilt vor allem für Holleins Museum für moderne Kunst in der Frankfurter Innenstadt am Dom. Es wurde auf einem dreieckigen Restgrundstück des städtischen Raumes errichtet und antwortet auf dessen Form. Außen wirkt der grau verputzte, von vielen rötlichen Sandsteinbändern gegliederte Solitär eher unauffällig. Innen kontrastiert die markant symmetrische Struktur der Dreiecksform mit einer asymmetrischen, räumlich diagonalen Erschliessung. Aus der kleinen Eingangshalle öffnen sich visuell alle Ebenen, vor hier führen kleeblattartig alle Wege ins Innere des Museum. Das Haus kontrastiert mit seinem Wechsel aus Ober-, Seiten und Kunstlicht und ist mit seinen offenen Ebenen, Rampen und Treppen der aufregendste und herausfordernste Innenraum dieser Jahre.

Die Bonner Museumsmeile, kleiner und weniger vielfältig als das Museumsufer in Frankfurt,ist in Planung, als Bonn noch Hauptstadt ist und soll der Stadt in Ergänzung zum Bau des neuen Plenarsaales von Günter Behnisch ein wenig kulturelle Bedeutung verleihen. Die Realisierung des Hauses der Geschichte (1993) von Ingeborg und Hartmut Rüdiger, des städtischen Kunstmuseums (1992) von Axel Schultes und der Bundeskunsthalle von Gustav Peichl (1992) wird erst nach der Wiedervereinigung 1989 vollzogen. Das Kunstmuseum ist von diesen drei Bauten unzweifelhaft das eindringlichste Haus, ein kunstvoller Ort für die Kunst, ein Haus aus Wänden und Licht, zur Strasse durch eine Art Klostermauer geschützt, hermetisch geschlossen und doch transparent. Die Fassade des Museums spielt mit Schwüngen, Wellen und Rundungen gegen die eher abweisende Bundeskunsthalle an, plastisch bewegt und heiter einladend, mit einem Dach, das wie ein gespanntes Segel auf einem Wald von Stützen liegt. Diesem gestalterischen Drama in seiner „kollisionsreichen Nachbarschaft“ zur Bundeskunsthalle entspricht ein skulpturales, virtuoses Innere mit faszinierenden Ausstellungsräumen.

Das ungewöhnlichste Museum der 1980er Jahre sind die Pavillons der Insel Hombroich, ein Gesamtkunstwerk aus Natur, Himmel, Pavillons und Kunst, das der Immobilienmann Karl Heinrich Müller konzipiert und  in einem Auengebiet bei Neuss mit dem Künstler Erwin Heerich geschaffen hat. Hombroich ist ein Ort wie kein anderer, mit Bauten, die reine leere Klangkörper oder gebaute Skulpturen sind. Seit 1983 wird an diesem faszinierenden Ambiente weiter gebaut, ein Kunstwerk in ständiger Entwicklung, das voraussichtlich kaum je fertig werden wird. Die Erweiterung der ursprünglichen Insel durch die unweit davon gelegene sog.Raketenstation mit Startrampen, Bunkern und Schuppen hat zu strengen Bauten von Alvaro Siza und anderen international renommierten Architekten geführt. Eleganter Höhepunkt ist das Museum der Langen Foundation von Tadao Ando (2004), das ein ästhetischer Kontrapunkt zu der streng-rauen und lokal inspirierten Backsteinarchitektur Erwin Heerichs ist.

1990er Jahre

Dieses Jahrzehnt kennt zwar neue und auch aufregende Museumsbauten, ist aber insgesamt zurückhaltender in der Zahl der fertig gestellten Bauten. Der Museumsboom legt eine kurze Pause ein. Die Tendenz der 8oiger Jahre, Altbauten zu spannenden Museen umzubauen, setzt sich fort. An vielen Stellen der Innenstädte, wo leer stehende Speichergebäude und ausrangierte Bahnhöfe auf neue Nutzungen warten, tun sich in dem Nebeneinander von Alt und Neu herausragende Möglichkeiten auf, die Kommunen oder andere öffentliche Träger nutzen. Das spektakulärste Beispiel ist  der Umbau des Hamburger Bahnhofs in Berlin zu einem Museum der Gegenwart durch J.P.Kleihues (1996). Dieses  Monument der Industriearchitektur aus den Jahren 1845-47, das in seinem Inneren an eine Kathedrale erinnert, wurde behutsam restauriert und ist durch seine schieren Raumgrößen besonders geeignet für großformatige Kunst und Installationen. Konventioneller, aber als Gemäldegalerie gut geeignet ist die alte Küppersmühle im Innenhafen Duisburg, die Herzog & de Meuron durch den Anbau eines skulpturalen Treppenhauses (1999) zu einem interessanten Objekt zeitgenössischer Architektur umfunktionierten. Die Fertigstellung eines weiteren bildmächtigen Anbaus ist für 2010 geplant. Das ZKM Zentrum für Kunst/ Medientechnologie in Karlsruhe wurde 1997 durch die Umwidmung einer alten Munitionsfabrik aus dem Jahre 1918 erreicht (Schweger & Partner). Der Charakter des Industriebaus wurde erhalten, Lichthöfe gliedern das gewaltige Volumen des 350 x 50 m grossen Betonskelettbaus. Ein Haus, das nicht so bekannt ist wie die  beschriebenen Bauten, sie an Sensibilität der Auseinandersetzung zwischen Alt und Neu jedoch übertrifft, ist das Kasseler Sepulchralmuseum von Wilhelm Kücker (1992). Der Neubau stellt sich massiv und selbstbewusst neben ein Haus aus dem 19.Jahrhundert, an dessen Proportionen, Maßverhältnissen und Raumideen er sich aber orientiert, so dass beide, Alt- und Neubau, voneinander profitieren. Das Kunstmusem Wolfsburg (1994, Schweger &Partner) ist ein Neubau, der in  Gestalt und Ausführung den kühlen Technizismus der Volkswagenstadt zitiert. Das Haus liegt an der zentralen Fußgängerzone mit Rathaus, Stadttheater und Kulturzentrum und ist wie diese ein Solitär mit Loggiacharakter unter einem weit gespannten Dach. Die große Ausstellungshalle entspricht in ihrer sachlichen Gestaltung dem nüchternen Charakter von Wolfburg.
Die 1990er Jahre sind im übrigen gekennzeichnet durch den „Import“ von international renommierten Architekten wie Zaha Hadid, Frank Gehry und Daniel Liebeskind. Es ist das Interesse an ihrer eigenwilligen Handschrift, das Bauherren für sich und ihr Image entdecken. Einer der ersten ist der Besitzer der Firma Vitra, Rolf Fehlbaum. Er baut auf seinem Firmengelände in Weil mit Frank Gehry und Zaha Hadid. Das kleine Feuerwehrhaus, das die Irakerin 1993 mit Hilfe von Günter Pfeifer realisiert, wird zum Mekka internationaler Architekturinteressierter- genau die Intention Fehlbaums. Denn die Gründe für sein Bauen mit renommierten Architekten sind werbewirksamer Art – gute Stühle und interessante Häuser sind für ihn die Seiten derselben Medaille. Der Erfolg gibt ihm Recht. Kurz zuvor – 1989 – war bereits die beschwingte Skulptur des Vitra Design Museums von Frank Gehry in Weil fertig gestellt worden, das erste Highlight in einer Reihe von Solitären weiterer Architekten. Das Vitra Design Museum ist Gehrys erster Bau in Europa. Ihm folgt in Geist und Gestalt vergleichbar 1999 das Museum in Bilbao, das vielleicht spektakulärste und erfolgreichste Museum der letzten Jahrzehnte in Europa. Das Vitramuseum zeigt eine neue Gestaltung, den sog.dekonstruktivistischen Stil. Er charakterisiert neben Gehrys auch Hadids und Libeskinds Bauten. Der Dekonstruktivismus ist eine Bezeichnung, die der französische Philosoph Jacques Derrida erfand. Sie meint ein Misstrauen gegenüber der Echtheit des Sichtbaren. Das Programm des Dekonstruktivismus heißt Umstossen und ein Aufbrechen der Konstruktion; in der Architektur stellt der Dekonstruktivismus traditionelle Inhalte und Sichtweisen infrage. Schräge Wände, Diagonalen, Verkantungen und Verdrehungen, dynamische Formen bis hin zu explosionsartigen Verzerrungen sind die eingesetzten Mittel und Charakteristika dieser Architektur. Zwei der radikalsten Museen dieser Richtung sind das kleine Felix Nussbaum Museum in Osnabrück (1998) und das Jüdische Museum Berlin (1999), beide von Libeskind. Das Museum Osnabrück, das an den 1944 im Konzentrationslager ermordeten jüdischen Maler Felix Nussbaum erinnert, setzt durch seine sich überschneidenden Formen, die keine Mitte haben, und durch die Organisation des Weges durch das Museum auf starke Emotionen: Unsicherheit durch abschüssige Fußböden, Beklemmung durch Desorientierung, Klaustrophobie durch schwer zu öffnende Türen und fensterlose Gänge. Architektur und ihre verwirrende Komplexität wie dynamisch wirkende Zersplitterung steht hier ganz im Dienst des Inhaltes des Museums: den Lebensweg eines ermordeten Malers, seine wachsende Isolation und Verzweiflung im Leben und schließlich die Hoffnungslosigkeit seines Endes baulich-symbolisch nachzuzeichnen und nachvollziehbar zu machen. Ohne diesen Erinnerungsinhalt wäre das Haus zwar Aufsehen erregend, aber Sinn-los. Was das Museum in Osnabrück im Kleinen ist das Jüdische Museum Berlin im Grossen: ein Museum, das auch  Gedächtnisstätte ist, und eine Form voll tiefgründiger Symbolik hat. Das mehrfach abgewinkelte Haus zeigt die dramatische Form eines Blitzes, ungerahmte Fensteröffnungen scheinen wahllos in die Fassade geschlitzt. Die Ausstellungsräume sind labyrinthisch, Hohlräume, sog. voids = leere Räume durchschneiden sie. Diese Leere soll für die Abwesenheit all derer und dessen stehen, was Berlin durch den Holocaust verloren hat. Der Besucher fühlt sich in dem Bau aus dem Lot gebracht, aufgewühlt, bedroht. Die Architektur dieses Museums ist im wahrsten Sinne des Wortes beispiellos; eindringlicher ist Raum kaum zu erleben.

Nach 2000

Das neue Jahrtausend explodiert in seinen ersten Jahren in einer Fülle von neuen Museen. Viele davon sind Bauten in privater Trägerschaft wie die durchfensterte Großform des Galeriehauses von Heiner Bastian in Berlin durch David Chipperfield (2007) oder das weisse Burdamuseum (2004)in Baden-Baden im klassischen Duktus der Moderne von Richard Meier. Die Kunstmuseen bleiben weiter die Seismographen der architektonischen Kultur. Unterschiedlichste Haltungen existieren gleichberechtigt nebeneinander, aber das Museum als Skulptur oder Kathedrale und das Museum als Kulturinstitution bleiben zwei verschiedene Welten. Dennoch ist der Streit um das, was  das Museum sein und wie seine Architektur beschaffen sein sollte, der in den 7oiger und 8oiger Jahren wie ein Glaubenskrieg geführt wurde, verstummt.
Fachleute machen für den Beginn des neuen Jahrtausends fünf Tendenzen im Museumsbau  fest:
Eine Fortsetzung der klassischen Bescheidenheit in Form, Farbe und Materialien der klassischen Moderne. Hierunter fallen z.B. das puristische Max Ernst Museum in Brühl (2005) von Thomas van den Valentyn, der einen Glaskörper als Eingangsbau zwischen die Flügel eines klassizistischen Hauses schiebt und so ein überzeugendes Miteinander von Alt und Neu schafft. Hierzu zählt auch das Neue Museum Nürnberg von Volker Staab, einem der besten deutschen Museumsarchitekten. Die selbstbewusste und klare Modernität dieses Baus fügt sich sensibel in die mittelalterliche Struktur der Stadt ein. Vielleicht gehört in diese Gruppe auch das Brandhorst Museum in München (2009) von Sauerbruch& Hutton. Bei diesem Haus handelt es sich um einen schlichten, nur an wenigen Stellen gläsern aufgebrochenen Kubus, dem das Kunststück gelingt, sich auf einem beengten, schwer bebaubaren Eckgrundstück überzeugend darzustellen. Die Fasade ist verkleidet mit senkrecht nebeneinander gereihten bunten Keramikstäben und dadurch ein farbig auffallender Teil der Stadt geworden.

Eine neue Transparenz, die das Innere des Museums in den öffentlichen Raum fliessend erweitert. Hierzu zählt eindeutig das Burdamuseum in Baden- Baden.
Neue Aufgaben, wie sie das symbolträchtige Jüdische Museum in Berlin darstellt. Auch das Archäologische Museum in Kalkriese bei Osnabrück (2002, Gigon& Guyer) fällt in diese Kategorie. Es ist eine kühne Kombination aus dem markiertem Schlachtfeld der Varusschlacht, in der Germanen und Römer sich bekriegten, und einem Bau aus Cortenstahl über den Ausgrabungen selbst, also kein normales Museum, das Ausstellungen organisiert.
Ein neuer Symbolismus, wie in dem kraftvollen dynamischen Mercedesmuseum in Stuttgart (2006) von Ben van Berkel realisiert wird. Der komplexe Innenraum des Museums gleicht in seiner Konstruktion einer Möbiusschleife, einer ununterbrochenen Schleife, die eine Zeitmaschine assoziieren lässt.
Museen mit einem neuen Körperbezug, der den Menschen intensiv herausfordert und der zu „einer bleibenden Wahrnehmungsverschiebung“ führt. Dazu könnte man das Diözesanmuseum Kolumba in Köln (2007) von Peter Zumthor zählen.

Dieser Versuch einer Klassifizierung ist mit Vorsicht zu akzeptieren und beschreibt keineswegs alle Museen der letzten zehn Jahre.
Fünf ganz unterschiedliche Museumsbauten dieses Zeitraumes seien kurz vorgestellt, um die Bandbreite an Gestalt, Ausdruck und Aufgaben deutlich zu machen. Die Pinakothek der Moderne in München (2002) von Stephan Braunfels ist ein Vierspartenhaus, das sich städtebaulich geschickt sowohl in Richtung Innenstadt als auch Museumsviertel orientiert. Ein Fußweg führt  diagonal mitten durch den Bau. Von einer großzügig dimensionierten Rotunde erschließen sich die vier Abteilungen; eine grandiose Lichtkuppel mit einem Durchmesser von 25 m beleuchtet den weiten hellen Raum unter der Rotunde. Kennzeichen der Pinakothek ist ein auf schlanken Säulen ruhendes Dach, das als bekanntes Motiv der Bonner Kunsthalle von Axel Schultes entlehnt ist.
Das Museum der Bildenden Künste in Leipzig (2004) von Hufnagel, Pütz, Raffaelian ist der erste Museumsneubau in den neuen Bundesländern. Der 30 m hohe Monolith verzichtet auf jede Zeitgeist – Gestaltung und setzt auf „ eine fast vergessene Qualität der Größenwirkung“. Das riesige Volumen (72x40 m) sucht Macht und Würde zu demonstrieren, steht aber wegen (noch) fehlender flankierender Bauten durch private Investoren wie ein nüchternes Mahnmal im Stadtraum. Der von Profilglasscheiben umhüllte kühle Bau ist streng formal konzipiert und von spröder Feierlichkeit. Hinter der transluzenten Fassade bilden sich Säle und Innenhöfe schattenhaft ab. Das 15 m hohe Atrium, das so sachlich wie elegant ist, bildet den dramatischen Auftakt zu dem Erlebnis mit einem verschwenderischen Umgang von Raum, der seinesgleichen in der deutschen Museumslandschaft sucht. Monumental ist auch die Wirkung des Literaturmuseums der Moderne in Marbach (2006) von David Chipperfield.
Es ist auf allen Seiten von Säulengängen umgeben und wirkt so wie ein Tempel, allerdings ohne Giebel. Das Haus ist ein Schrein, ein Ort der Huldigung, deshalb die so gewählte Form. Er ordnet sich sensibel in seine Umgebung ein. Chipperfield gelingt in diesem Bau das Kunstwerk, Literatur in ihrer wenig sinnlichen Materialität zu feiern und die Ausstellung nicht durch die starke Präsenz der architektonischen Grundelemente von Raum, Licht und Materialität zurückzusetzen. Der nicht sehr große Baukörper ist ein puristischer Pavillon, perfekt im Detail, dennoch nicht abweisend oder steril. Das Foyer ist noch Licht durchflutet, doch weiter nach innen hin nimmt das Tageslicht ab, die Räume werden intimer und meditativ gestimmt. Das seltene Beispiel eines Museums als feierlicher Ort.

Dieselbe Intention hatte Peter Zumthor beim Bau des Museums Kolumba in Köln. Kardinal Meisner bringt es auf den Punkt, wenn er sagt; „Kolumba ist ein Sakralbau in den Dimensionen eines Museums.“ Das ist die Stärke und die Schwäche des Baus. Die Kirchen sind leer, aber dieses Museum verklärt die Kunst und lädt sie religiös auf. Kolumba liegt wie ein massives Kastell mitten in der Stadt, eine Burg mit drei wuchtigen Ecktürmen, abweisend, gleichzeitig aber in seinem hellen Material – ein  gelblicher Ziegel – wie gewachsen wirkend. Fenster sind als hartkantige Öffnungen in die Fassade eingeschnitten, erlauben aber keinen Rückschluß auf die dahinter liegenden Räume. Bei allem Versuch Zumthors, auf einen „Bilbaoeffekt“ bei diesem Bauwerk zu verzichten, ist seine Architektur dennoch stark auf Wirkung konzipiert, was in der biederen Nachbarschaft von langweiligen 5oiger Jahre Bauten eine Herausforderung war.
Innen ist das Museum teils nüchtern, teils feierlich. Eine starke sinnliche Materialität bestimmt die unterschiedlich hohen Ausstellungsräume, die den Kunstwerken verschwenderischen Raum geben. Kolumba ist eine bis ins perfekte Detail ungemein präsente Architektur, die keinen unberührt lässt, die aber eindeutig der Kunst und der Kontemplation dient.

Der großartigste Museumsneubau dieses Jahrzehntes ist ein renovierter, restaurierter, modern ergänzter Altbau, das Neue Museum in Berlin (2009) von David Chipperfield. Hatte Stüler das Museum als Bühne für Ägypten, Griechenland und Rom und deren Kunst und Kultur inszeniert, so fühlt sich Chipperfield der Geschichte des Baus allgemein verpflichtet, akribisch wissenschaftlich, nichts verschweigend, nicht Alter, nicht Zerstörung. Seine Gestaltung ist Spurensuche bis hin zu den Ausstellungsgegenständen selbst, die die Spuren der Zeit deutlich machen. Was fehlt, hat Chipperfield hart, kontrastreich und kompromisslos modern ergänzt wie z.B. die kolossale Treppe aus weissem Beton. Die Exponate behaupten sich gut, die Stimmung in den unterschiedlichen Räumen reicht von dramatisch bis verspielt. Hanno Rauterberg nannte es so: „Noch in seiner Beschwörung des Ewigen verliert Chipperfield nie das Bewußsein für das Vergängliche (Die Zeit Nr.42 vom 8.10.2009).

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