Erhabenes Monument

Das Steinskulpturenmuseum von Tadao Ando

1995 erhielt der heute 73 jährige Tadao Ando den Pritzkerpreis, den sog. Nobelpreis der Architektur.  Dieser angesehenste Architekturpreis der Welt zeichnete mit ihm einen Autodidakten aus, der nie eine formale Ausbildung weder in Architektur noch einem anderen Beruf erhalten hatte. Er hatte vielmehr für seinen Bruder als Boxer gearbeitet.
Ando erhielt den Preis für ein Werk, das bis heute von unbeirrbarer  formaler Konsequenz und einer asketischen Anwendung  architektonischen Vokabulars gekennzeichnet ist, in dem sich radikale europäische Moderne des 20.Jahrhunderts mit japanischer Tradition mischen.

Tadao Andos Werk umfasst heute mehr als 150 Bauten, darunter viele Museen. In Deutschland gibt es neben diesem kleinen Museum die Langen Foundation auf der Raketenstation Hombroich bei Neuss und den Vitrapavillon in Weill am Rhein. Auf Grund der schieren Zahl seiner Häuser und ihrer unbestreitbaren Qualität wird Ando von Journalisten gern als Stararchitekt bezeichnet. Ich würde ihn eher eine grossen Baumeister nennen. Denn im Vergleich zu den meisten seiner  Starkollegen, die eine Architektur von Aufsehen erregender Expressivität produzieren, ist Tadao Ando ein leiser Mensch, der mit seinen Bauten Stille und Zurückhaltung zu vermitteln sucht. Doch diese Zurückhaltung steht keinesfalls im Gegensatz zu dem kraftvollen Auftritt seiner Häuser.

Tadao Andos Art zu bauen ist nicht effektheischend. Sie ist vielmehr einprägsam und berührt den Betrachter mit ihrer selten harmonischen Übereinstimmung von Funktion, Struktur und Material. Der Buddhist Ando wurde als junger Architekt bekannt durch den Bau christlicher Kirchen in Japan, faszinierende Räume, die bis heute - mehr als 30 Jahre nach ihrer Fertigstellung - nichts von ihrem Zauber verloren haben. Vielleicht verdankt sich auch der sakrale Charakter vieler seiner profanen Bauten dieser frühen Erfahrung.

Ando ist mit kleinen Bauten bekannt geworden, denen man immer stärker als grossen Gebäuden die Sorgfalt ihrer Bearbeitung anmerkt.
Vielleicht erwächst die Wirkung der Bauten Andos eben diesem immer neuen, absoluten Anspruch des Architektenn an Schönheit, Exaktheit und Qualität des Materials.

Dieses Skulpturenmuseum, das durch die zentrale Stellung der historischen Eifelfachwerkscheune aus dem Jahre 1785 als Bekrönung des Baus an einen japanischen Schrein erinnert, birgt wie ein Schatzkästchen alle für Ando typischen Merkmale seiner Architektur:
da ist die Geormetrie des Raumes, die Ordnung der Höfe in ein exaktes Nebeneinander aus Haus, Wasser und dem Hof, wo die Säulenbasalte aus der Erde wachsen. Da ist die Mauer, die bei Ando wie in der klassischen japanischen Architektur nicht nur sakrale Räume, sondern auch profane vom öffentlichen Raum trennt. Da ist der Beton und eine von der Natur abstrahierte Ordnung aus Licht, Wasser und Himmel.

Andos Bauten folgen nicht zuletzt seiner spezifischen Auffassung von Raum. Raum entsteht für Ando nicht erst, indem er ihn baut. Vielmehr formt er ihn als Teil der Unendlichkeit des die Menschen umgebenden leeren Raumes durch Eingrenzen und Begrenzen von Mauern. Andos Architektur in ihrer Mischung aus Transparenz und Geschlossenheit macht Raum so erst sichtbar. Bei uns in Europa ist Raum statisch, bei Ando ist er in steter Bewegung und bewegt. Denn Raum ist auch Weg, und man könnte durchaus sagen, daß seine gesamte Architektur Weg ist.
Erst im Begehen endeckt sich der Raum, erst im Durchschreiten begreift man ihn. Jeder Weg ist inszeniert, aber nicht direkt, sondern indirekt. Er führt vom Haus weg, um das Haus herum, er nimmt Umwege in Kauf, um immer neue Perspektiven und damit Einsichten zu gewinnen. Zum Schluß steht man wie zufällig vor dem Bau. Deswegen auch bei Ando immer der Verzicht auf zentrale, direkte, gut sichtbare Eingänge. Vielmehr schlüpft man nicht selten in seine Bauten hinein, verstohlen, wie durch die Hintertür. So auch hier.

Thema Material: Ando liebt den Beton, auf dessen herausragende Qualität er größten Wert legt. In Japan hat er sogar ein Patent darauf.  Sein Beton muß sich wie weiche Seide anfühlen und sanft wie Wasser. Er ist ein taktiles Material wie die hier ausgestellten Steinbücher, die man ständig berühren möchte. Andos Beton atmet und lebt, und die grossen autonomen Betonflächen seiner Mauern und Häuser wollen die Struktur und das Wesen des Materiales deutlich machen. Die Qualität seines Betons ist in Deutschland eher selten. Andos Beton kann gut altern; der uns in Deutschland umgebende Beton dagegen, der weitgehend aus den 60iger und 70iger Jahren stammt, war billig hergestellt und verwendete billige Stähle. Dieser Beton ist heute heruntergekommen und unansehnlich.

Thema Wasser: Ein niedriges Wasserbecken, das wie hier einen Großteil des Innenhofes einnimmt, ist eines der preiswertesten und gleichzeitig raffiniertesten Mittel der Architektur. Das Wasser verdoppelt das Architekturvolumen durch Reflektion, es betont die Strenge einer Architektur durch ihre Spiegelung im glatten Wasser, oder es löst ihre Härte auf, wenn der Wind die Wasseroberfläche bewegt oder kräuselt. Ein Wasserbecken belebt und spielt mit Licht und Himmel und macht Andos Innenhöfe zu Kaleidoskopen der Tages- und Jahreszeiten.
Ando arbeitet mit flachen Becken und wenig Wasser, aber der so entstehende Effekt von Ruhe bei gleichzeitiger Bewegtheit ist beeindruckend.

Thema Licht: Der bewusste Umgang mit Licht und seinem dunklen Bruder, dem Schatten, ist das herausragendste Merkmal der Architektur Andos. Erst das Licht verleiht ja bekanntlich den Gegenständen ihre optische Präsens und verbindet Raum und Form.
Wir Menschen müssen uns immer wieder vor Augen führen, daß wir ohne Licht die Welt nicht sehen, erfassen und erkennen können.
Ando, der ebenso rational wie intuitiv ist, ist ein Meister der Lichtführung und des Schattenwurfes. Licht gibt seinen Bauten ihre starke Präsenz, und je nach Licht wirkt eine nackte Betonwand hart und flächig oder aber plastisch-weich und durchscheinend-schwebend.
Man weiß, daß man niemals in denselben Fluß steigt. Das gilt auch für das Licht: es ist mit jeder Sekunde anders in der Farbe und Schärfe. Dieser bewusste Umgang mit Licht gibt den Bauten Andos ihre zeitlose Qualität.