„Abenteuer Billigreise“

Eindrücke und Einschätzungen von einer Nord-Zypernreise

Was eine Testreise hätte werden sollen, war durch einen Artikel „Abenteuer Billigreise“ in der Februarausgabe der ADAC Zeitschrift plötzlich überholt. Aber die Reise nach Nordzypern vom 26.2.- 5.3.2017 war bezahlt, warum sie also nicht antreten? Vor allem weil Nordzypern zu den wenigen weissen Flecken meiner Reiseerfahrung in Europa zählte und der ADAC Artikel einigermassen positiv ausgefallen war.
Kommt hinzu daß man über Nordzypern generell wenig weiß, womit ich nicht allein bin, wie ich auf der Reise merkte.

Das Land – eine türkische Republik, die ausser von der Türkei von keinem anderen Land anerkannt wird – ist selten in den Schlagzeilen. Dabei ist die Insel ein komplexes und kompliziertes Gebilde. Im Jahre 1974 wurde sie nach einem Putschversuch zyprisch-griechischer Offiziere gegen Makarios von der Türkei besetzt und geteilt. Für die EU, zu der Südzypern gehört, gilt Nordzypern als Sondergebiet und die Insel insgesamt als nicht geteilt. In Südzypern  wohnen Christen und im Nordteil der Insel weitgehend sunnitische Muslime. Zwar laufen derzeit wieder einmal Friedens- und Vereinigungsgespräche, aber es ist schwer vorstellbar, daß Erdogan unter den gegenwärtigen politischen Umständen auf diesen Stachel im Fleisch der EU verzichtet.

Wenn einen ein Reiseangebot von Programm, Flug und 7 Übernachtungen mit Frühstück in 4-5 Sternehotels für insgesamt 129 EUR erreicht, dann kann man eigentlich nur mißtrauisch werden.Der Einzelzimmerzuschlag von 249 E war dann allerdings doppelt so teuer wie Flug-und Übernachtungskosten, und für das Abendessen – das man in keinem gemütlichen, lokalen Restaurant einnehmen kann, weil die Hotels, in denen man untergebracht ist,  am Ende der Welt liegen – mußte man noch einmal 129 EUR berappen.

Wie diese Preise, die vom Reisebüro RSD geradezu marktschreierisch angeboten werden, zustande kommen, bleibt bei der Buchung und während der Reise im Unklaren. Daß es den Betreibern bei diesen Preisen gelingt, ein zypriotisches Stammpersonal in den touristenarmen Zeiten  des Winters weiter zu beschäftigen und nicht zu entlassen, kann sich jeder Reisende auch ohne ökonomische Grundkenntnisse klarmachen, allerdings auch wie wenig dieses Personal verdienen muß.

Solche Schnäppchenpreise kommen durch Zuschüsse aus der Türkei und durch Subventionen von Lederläden, Teppichhändlern und Juwelieren zustande, deren Besuche ganz offen als Teile des allgemeinen Besichtigungsprogramms gelten. Übrigens sind die dort angebotenen Produkte von hervorragender Qualität und Vielfalt. Man kann also nicht behaupten, man würde in diesen Läden hinters Licht geführt, vor allem wenn die Lockangebote zu Preisen erworben werden – vorausgesetzt man verhandelt gut – die weit unter denen in Europa liegen.

Die Buchung zur Reise war einfach und problemlos. Insofern war man gespannt, was einen vor Ort erwartete. Nachdem der scheinbar nagelneue Airbus der mir bis dahin unbekannten Airline Firebird von Frankfurt via Antalya in Ercan gelandet und die ca. 18o Reisenden auf vier Busse verteilt waren, stellte sich uns ein sehr sympathischer, kundiger und perfekt Deutsch sprechender Führer vor, erläuterte das Programm der Reise – „ alles inklusive“ – und sprach – noch im Bus, bevor wir das Hotel erreichten – erstaunlich offen über die Finanzierung einer derartigen Billigreise. Doch die Bezeichnung der Reise als „Kaffeefahrt“ wie in der ADAC Zeitung sei beleidigend und mache ihn wütend. So etwas  klinge nach Mauschelei und Betrug. Den Hinweis, daß der Artikel grundsätzlich positiv geschrieben worden sei und auch so gelesen werde, ließ er nicht gelten. Bezeichnungen wie „Kaffeefahrt“ zerstörten die Geschäfte vor Ort und machten die bisherigen Erfolge der preiswerten Reisen zunichte. Preise, Sponsoren und Programme müßten vielmehr als Entwicklungshilfe- und -helfer  für den Nordteil der Insel angesehen werden. Das wolle man sich nicht kaputt machen lassen, eine Haltung, die alle anderen Führer zu teilen schienen. Daß diese in dem Artikel logischerweise einen Anschlag auf ihre Existenz und ihr Überleben und Einkommen sehen mußten, verwundert kaum.

Das Programm für die sechs Tage Rundreise war sorgsam abgestimmt.
Nichts ging schief, es herrschte deutsche Pünktlichkeit, die Busse, die die Besucher umher fuhren, waren geräumig und neu.

Der Nord- und Südteil von Nikosia, der einzigen geteilten Hauptstadt Europas, stand zur Besichtigung an, Famagusta, das antike Salamis, das Kloster Bellapais, die Festung Hilario, die antiken Mosaiken von Solis und Kyrenia mit seiner venezianischen Festung. Trotz der Dichte des Programms  gelang es dem Führer, durch Straffung der Ausflüge noch einen freien Tag herauszuschlagen, den man entweder für sich verbringen oder an dem man weitere Angebote des Reisebüros - natürlich gegen Bezahlung - wahrnehmen konnte.

Ich selbst habe diesen Tag dazu benutzt, die Umgebung unseres an der Küste gelegenen Hotels zu erkunden. Es war kein erhebendes Erlebnis.
Abgesehen davon, daß auf Grund der Nebensaison die meisten Restaurants und Hotels verbarrikadiert waren, was auch anderswo wenig attraktiv ist, machte die gesamte Szenerie einen schäbigen, herunter gekommenen Eindruck. Ein Strand für einen Spaziergang war nicht zu erreichen, jeder noch so kleine Zugang zum Wasser war gesperrt. Nur durch Übersteigen eines Zaunes gelangte ich an ein winziges Stück Meerufer, das aber so voller Unrat und kaputter Strandmöbel war, daß ich ganz schnell wieder weg war. Schwer vorstellbar, daß hier im Sommer zufriedene Touristen sich in der Sonne aalen. Ähnlich war übrigens der Eindruck der Halbinsel Karpas. Hier liegen die schönsten, endlosen Sandstrände Nordzyperns. Das Wasser und der Sand sind sauber, aber die wenigen Restaurants und Hotels glichen verwahrlosten Industriebrachen. Hier möchte man sich weder zum Schwimmen umziehen noch irgendetwas essen.

Apropos Hotels. Vor Beginn der Reise war nicht herauszubekommen, wo man übernachten würde. Der Veranstalter behält sich vor, dies im letzten Moment zu entscheiden, um flexibel zu bleiben. Unser erstes Hotel war eine Riesenüberraschung: fünf Sterne, sehr groß, sehr gepflegt, üppiges Essen, freundlicher Service. Man fragte sich wie häufig auf dieser preiswerten Reise, wie ein solches Angebot kalkuliert wird. Das zweite Hotel, immerhin vier Sterne, machte aus einem dagegen einen quengelnden Touristen. Viele Duschen funktionierten nicht, Badezimmer standen unter Wasser, Toiletten waren verstopft, Türen liessen sich mit Karte nicht öffnen, Beschwerden sinnlos. Das Frühstücks- und Abendessenbufetts waren nach einer Dreiviertelstunde leer und wurden nicht ergänzt, die Kellner wirkten total überfordert, die Hotelleitung war nicht zu erreichen.

Gerne hätte ich mehr zur politischen Situation der Insel und zur Abhängigkeit von der Türkei erfahren, aber zu diesem Thema verweigerte unser sonst so gesprächsbereiter Führer jede Auskunft.
Insgesamt ist die Beurteilung der Reise positiv. Wer nur einen kleinen Geldbeutel hat und Überraschungen nicht scheut, der kann mit solchen Studienreisen die Welt kennen lernen. Denn ähnlich preiswerte Angebote gibt es inzwischen für viele Reiseziele.