Fumihiko Maki war der Grandsegneur unter den zeitgenössischen Architekten, zurückhaltend und unprätentiös. Er starb am 6.Juni im Alter von 95 Jahren, vor der Einweihung seines neuen Museums in Wiesbaden. Zehn Museen wollte er in seinem Leben bauen. Das hat er geschafft. Nur die Einweihung des zehnten gelang ihm nicht mehr. Maki war einer der bekanntesten und besten japanischen Architekten. 1993 erhielt er den Pritzkerpreis, die renommierteste Auszeichnung in der Welt der Architektur. Er hat in Tokio studiert, machte seinen Master in Harvard und wurde Mitarbeiter von Kenzo Tange.
In Deutschland ist er nicht unbekannt, hat aber nur drei Gebäude realisiert, zwei Bürogebäude in München und eines in Düsseldorf. Den Bauherrn für sein Museum in Wiesbaden, Reinhard Ernst, lernte er 2002 in Japan kennen, wo dieser mit dem Architekten den Firmensitz Harmonie Drive in Nagano baute. 2012 folgte die Begegnungsstätte für Kinder in Natori „Haus der Hoffnung“, die er nach einem fürchterlichen Tsunami realisierte. Zu diesem Zeitpunkt waren der Unternehmer, der sein Vermögen mit Antriebstechnik verdiente, und der Architekt schon enge Freunde.
Reinhard Ernst, der 2004 die Reinhard + Sonja Ernst- Stiftung gründete, um die Zukunft seiner beachtlichen Sammlung an abstrakter Kunst zu sichern, war von der gewinnenden Persönlichkeit Fumihiko Makis und seiner Sicht von Architektur beeindruckt. Diesem war die „Menschlichkeit“ im Bauen wichtig und er benutzte diese Bezeichnung nicht als oberflächliches Schlagwort wie viele seiner Kollegen. Maki ging es nicht um die einmalige Form und Sensation, sondern um einen Maßstab und eine Gestaltung, die Extravaganz vermied und eher minimalistisch-streng war. Das Credo des Architekten war mit der Auffassung von Reinhard Ernst identisch: „Ein Bau ist besonders nachhaltig, wenn er von der Gemeinschaft angenommen und geliebt wird.“
Dies kann jeder Besucher des neuen Museums selbst feststellen, denn nirgendwo in Deutschland sind so viele junge Menschen aktuell im Museum anzutreffen wie hier. Zudem öffnet das Museum täglich erst um 12 Uhr. Bis dahin haben nur Kinder allein Zutritt, was in Deutschland einmalig ist. Wiesbaden kann sich über das neue Museum glücklich schätzen. Es hat die Stadt nichts gekostet ausser der Überlassung eines Parkplatzes als Baugrund. Der Bauherr zahlte die Baukosten in Höhe von 80 Millionen und übernimmt auch die laufenden Kosten des Museums. Schon jetzt, knapp vier Woche nach der Einweihung, zeigt sich die Attraktion des Museums mit seiner großartigen abstrakten Sammlung von vornehmlich deutschen, japanischen und amerikanischen Künstlern der letzten fünfzig Jahre. Menschen stehen Schlange, um das Haus und die seine aufregende Sammlung zu besichtigen.
Der Bau unterscheidet sich deutlich von anderen Museen Deutschlands. Er besteht aus vier unterschiedlich hohen Blöcken, die sich um ein gläsernes quadratisches Atrium gruppieren. Dessen Schmuck ist ein sechzig Jahre alter Ahorn, der auf einem Boden aus weissen und hellgrauen Steinen steht. Dies erinnert an historische japanische Innenhöfe, doch sicher wollte Maki kein Zitat japanischer Baukunst realisieren, sondern gab wohl eher beim Entwerfen einem inneren Bild Ausdruck. Das Atrium ist in voller Höhe des Baus verglast und „flutet das Gebäude mit natürlichem Licht“.
Der elegante Museumsbau fügt sich geschickt in seine Umgebung ein, eine Eigenschaft, die Architekten gern versuchen, die ihnen aber selten gelingt. Erst wenn man unmittelbar davor steht, sticht einem das Museum ins Auge. Seine Gestalt ist selbstbewußt und gleichzeitig bescheiden, groß, aber nicht monumental, ernst, doch nicht spartanisch. Der Baustoff ist ein angerauter, heller Granit aus Vermont. Er scheint das Licht anzuziehen und dabei strahlen zu beginnen. Dieses Licht bewirkt beim Betrachter eine schwebende Leichtigkeit und wohltuende Ruhe die zu vermitteln nicht vielen Architekten gelingt. Maki at his best.
So leicht der Bau von aussen wirkt, so schwer ist er an sich. Etwa 2.600 Tonnen Stahl wurden hier verbaut, was mehr als einem Drittel der metallischen Struktur des Eiffelturms entspricht. Diese stählerne Ausstattung ist durch das beachtliche Gewicht einiger Skulpturen nötig. So wurden im ersten Obergeschoss zwei Skulpturen aus Bronze von Tony Cragg noch während der Bauzeit aufgestellt, die jeweils vier Tonnen wiegen und nahe beieinander stehen. Die mächtige dreiteilige Skulptur von Eduardo Chillida im Atrium hat ein Gewicht von 7,5 Tonnen.
Die Ruhe, die der Bau aussen ausstrahlt, entspricht dem Inneren mit seinen 6 bis 12 Meter hohen Ausstellungssälen. Ein Raum innerhalb der Kuben wird wegen seiner stattlichen Höhe von 14 Metern auch „Kathedrale“ genannt. Blickachsen verbinden visuell die Ausstellungsräume mit ihren Treppen und Durchgängen miteinander und vermitteln ein Gefühl von Entspannung und Gelassenheit.
Der Bauherr Reinhard Ernst liebt starke Farben. Doch man muß ihm dafür danken, daß er Farbe nicht am Bau sichtbar gemacht hat sondern die Farbenfreude seinen Bildern überläßt. So empfängt Katharina Grosse im Foyer dein Besucher mit für sie ungewöhnlicher stark farbiger Glaskunst, die nach Skizzen von ihr gegossen wurde. Die spannendsten der ungemein sorgfältig gehängten Bilder leuchten aus sich heraus und faszinieren und fesseln den Betrachter, ob es Josef Albers ist, die Figuren von Frank Stella zum Thema „Die Suche nach den weissen Wal“ oder die farbstarke Balance von Volumen und Leere in den Bildern von Helene Frankenthaler.
Reinhard Ernsts Sammlung umfaßt weit über 950 abstrakte Werke, Es sind Arbeiten auf Papier, Leinwand oder Glas, Skulpturen aus Stahl, Bronze oder Blech und Aluminium. Danach gefragt, warum er abstrakte Kunst mehr als figurative schätzt, antwortet er: „Ich liebe an der abstrakten Kunst, daß sie so unmittelbar ist“. Und er bezieht sich dabei auf einen Ausspruch Frank Stellas: „What you see is what you see“.