Louisiana, witzigerweise benannt nach den drei Ehefrauen des Erbauers Alex Brun, die alle drei Louise hiessen, liegt 35 km nördlich von Kopenhagen. Es ist Dänemarks schönstes Museum. In seiner Ausgewogenheit zwischen Architektur, Natur und Kunst ist es ein Juwel, das seinesgleichen auch weltweit sucht. Zu entdecken ist dies aber erst auf den zweiten Blick.
Auf den ersten Blick steht man in einem reinen Wohnviertel vor einer eleganten, weissen Patriziervilla des 19. Jahrhunderts , die das Eingangsgebäude ins Museum bildet und eher den Gedanken an Sommerfrische aufkommen lässt als an Kunst. Als die Architekten Vilhelm Wohlert und Jörgen Bo Anfang der 50ier Jahre die leere Villa fanden, stand für sie fest, dass sie ein Museum werden sollte. Dieses wurde 1958 eröffnet und sollte den Dänen moderne Kunst nahe bringen.
Wer das Eingangsgebäude hinter sich lässt, entdeckt im Schlendern nach und nach das eigentliche Museum, eine fast kreisförmige Struktur, die zwei offenen Armen gleicht. Der älteste Teil stammt aus den 50er Jahren und wurde oberirdisch gebaut, der zweite, wesentlich größere Teil entstand als unterirdische Ausstellungsräume zwischen 2003 -2006. Die Architekten wollten das begrenzt große Grundstück visuell nicht zu stark belasten. Der Bau umarmt geradezu die zentrale Rasenfläche mit dem Skulpturenpark. Hier findet man unter hohen alten Bäumen und großen Büschen und Stauden mehr als 50 Skulpturen moderner Kunst u. a. von Calder, Kirkeby und Henri Moore, die man teilweise im tiefen Schatten entdecken muss.
Wer den gläsernen Gang nimmt, der in die Tiefe des Museums führt und in seiner Kargheit ein wenig an Mies van der Rohe erinnert, kommt schnell zu einem der weltweit schönsten und intimsten Ausstellungsräume, die es überhaupt gibt. Der Besucher schaut von oben in einen tiefer liegenden, hohen Raum mit einem der großen Seerosenbilder von Claude Monet. Davor steht eine Gruppe überschlanker Skulpturen von Alberto Giacometti, die durch eine hohe Glaswand auf einen dahinter liegenden See zu starren scheinen. Der Besucher ist fasziniert von der Stille und Intensität dieses Bildes. Innen und außen scheinen ineinander überzugehen und bilden eine fast magische Einheit. Außen sieht man eine Art Urwald, der aber nur ein tief gebaggerter, in Teilen zugewachsener See ist, der während der britischen Bombardierung 1807 als befestigter Hafen mit Zugang zur Ostsee galt und diese Funktion auch im 2.Weltkrieg hatte.
Den Architekten Renzo Piano hat dieses geheimnisvolle Stillleben aus Kunst und Natur so fasziniert, dass er es beim Neubau des Museums Beyerle in Riehen bei Basel nachahmte, inklusive einer Wasserfläche, mit Giacomettis und einem Seerosenbild. Geht der Besucher weiter, steht er unmittelbar vor dem eigentlichen Höhepunkt des Museums, dem Blick von einem Steilufer auf die Ostsee. Nichts bereitet ihn auf das flirrende Sonnenlicht des Öresunds vor, das ihn überfallartig trifft, und die Spiegelung jeder Wolke im Wasser. Im Winter hüllt der Nebel der Ostsee den Betrachter wie in einen Mantel ein.
Hier an diesem Punkt des Grundstücks treffen alle Qualitäten von Louisiana aufeinander und verändern das Ambiente in jeden Moment. Das Licht des Himmels, das sich täglich ändernde Wetter, die verschiedenen Farben der Jahreszeiten, das Dunkel des alten Baumbestandes, blühende Büsche und eine transparente Architektur im Gleichklang mit erlesenen Bildern im Inneren des Museums und Skulpturen außen schaffen ein Gesamterlebnis, das sprachlos macht und verzaubert.
Auf der Museumsinsel Hombroich ist vieles ganz anders. Es beginnt damit, dass kein Kunstwerk beschriftet oder erklärt wird. Der Besucher soll sich ohne angelesenes Wissen sein Urteil bilden und dadurch innerlich wachsen. Kein Wärter nirgendwo, der die Kunst bewacht. Man vertraut auf die Anständigkeit der Besucher und den Respekt vor dem Kunstwerk. Nirgendwo elektrisches Licht. Das Tageslicht bestimmt das Erlebnis des Betrachtens und die Qualität dessen, was betrachtet wird. In der Dunkelheit hat der Mensch Ruhe vor der Kunst und die Kunst vor dem Menschen.Die Besucher scheinen sich auf dieses Erziehungsprojekt willig einzulassen.
Karl-Heinrich Müller (1936 – 2007), Makler und Sammler aus Düsseldorf, entdeckte auf der Suche nach einem Standort für ein Museum in der Nähe der Erft bei Neuss einen häufig von dem Fluss überschwemmten, herunter gekommenen Inselbereich, der die Reste einer römischen Villa aufwies und unterschiedlichen anderen Besiedlungsresten inklusive eines Barockgartens von Lenné. Müller holte das wilde Stück Natur aus dem Dornröschenschlaf. Er erwarb das 90.000 Quadratmeter große Areal und verwandelte die Wildnis zusammen mit dem Bildhauer Erwin Heerich und dem Landschaftsarchitekten Bernhard Korte als Berater in ein weltweit einzigartiges Gesamtkunstwerk aus renaturierter Park- und Auenlandschaft und aus skulpturalen Pavillons für die Kunst. Einige Pavillons sind leer, sodass man darin meditieren oder singen kann.
Erwin Heerich, der für seine strengen Kunstwerke bekannt ist, entwarf die zehn Pavillons nicht als Architekt, sondern als Künstler, und hm gelang ein faszinierendes Ambiente aus ungezähmter Natur und Geometrie. Die locker im Gelände der Insel verteilten Pavillons sind aus niederländischen Abbruchfeldbrandsteinen, In ihrem Material gleichen sie einander, in ihren Formen sind sie streng, aber grundverschieden in ihrer Höhe. Die kleineren Pavillons haben große Fenster und geben den Blick frei auf die Erft, einen See, einen Bauernhof , auf satte Wiesen und auf die Werke von Anatol Herzfeld, Polizist und Künstler, der im Park ein lebenslanges Wohnrecht genießt und dem man in seinem Atelier beim Arbeiten zusehen kann.
Die Pavillonarchitektur ist das 39 x 39 Metern große sog. Labyrinth, die größte begehbare Skulptur Heerichs, die manchmal fast zugewachsen ist und wie ein großes Architekturimplantat in der Natur wirkt . Er ist die perfekte Interpretation von Paul Cézannes Beschreibung einer „Kunst parallel zur Natur“. Das Labyrinth ist ein rechteckiger Raum mit einem Glasdach als einziger Lichtquelle. Es hat vier Eingänge und vier Wege, die sich in der Mitte des Baus, im „inneren Zimmer“, treffen und auflösen.
In lockerer Hängung trifft man auf Werke von Gottfried Graupner, Lovis Corinth, Hans Arp, Kurt Schwitters, Alexander Calder, Yves Klein und Jean Fautrier, liest aber nirgendwo ihre Namen. Selbst für Bilder Rembrandts, die in zahlreichen kleinen Zeichnungen in einem Pavillon zusammen mit anderen Kostbarkeiten hängten, machen die Aussteller keine Ausnahme, ebenso wenig wie bei seltenen Ausstellungsstücken chinesischer Kunst oder Skulpturen der Kmer.
In den Pavillons wird emotionale Selbsterziehung erwartet, draußen in der üppigen, ungezähmten Natur dagegen darf reine Freunde an der Vielfalt von Pflanzen herrschen. Dies entspricht ganz dem Titel eines Buches, das 1987 von Paul Good herausgegebenen Buches „Hermes oder die Philosophie der Insel Hombroich“. Hermes ist der Gott der Gegensätze, die er im Flug oder im Sprung überwindet. Genau das wird von dem Besucher erwartet, sich zu lösen von Gewohntem und sich im Sprung dem Unbekannten und Fremden zu öffnen.
Die Natur in Hombroich ist nicht die eines gepflegten Parks, sie ist weitgehend sich selbst überlassen. Eine reiche Vogel- und Insektenwelt bevölkert Tümpel und Brachen, in denen sich der Himmel spiegelt. Manchmal begegnet einem auch eine Schildkröte auf dem Weg. Die schönste Zeit in Hombroich ist der Herbst, wenn tiefe Wolken über den Himmel jagen und über der Natur die Schwermut des Verfalls liegt. Vorsicht für Melancholiker! Louisiana und Hombroich sind zwei überschaubare Museumsareale, der Museums- und Parkkomplex Kröller-Müller in den Niederlanden dagegen gehört zu den ausgedehntesten der Welt.
Der Kröller-Müllerpark ist Teil des Nationalparks Veluwe zwischen Apeldoorn und Arnheim. In seiner Ausdehnung von 55oo ha ist er die grüne Lunge Hollands, voll von Laub-und Nadelwäldern, Heide, Wiesen und Dünen, bevölkert von Hirschen, Mufflons und Wildschweinen. Und von neugierigen Besuchern, die auf Hunderten von Leihfahrrädern unterwegs sind, um die Kunst im Museum und in dem riesigen Skulpturenpark zu entdecken.
Der Beginn einer der größten Kunstsammlungen der Welt mit dem Skulpturengarten von 25 Hektar und darin mehr als 200 qualitätsvollen Skulpturen von Maillol bis Dubuffet liegt am Anfang des 20. Jahrhunderts. Helene Müller, eine Deutsche, die 1869 in Essen geboren wurde und die Tochter eines reichen Stahl- und Handelsmagnaten war, hatte eine große Liebe zur modernen Kunst. Sie heiratete einen Holländer, der Sohn eines Partners ihres Vaters war und die Vorlieben seiner Frau teilte. Er kaufte 1909 die ersten 600 Hektar Land in der Nähe der holländischen Kleinstadt Ede, um den Wunsch seiner Frau nach einem eigenen „Museumsbaus“ zu verwirklichen.
Zunächst aber stürzte sich das Ehepaar regelrecht in den Aufbau einer Sammlung. Zwischen 1907 und 1922 erwarben sie ca.11.500 Gemälde. Darunter waren Bilder von Piet Mondrian, Pablo Picasso, Claude Monet und Georges Seurat. Frau Müller kaufte auch 90 Gemälde von Vincent van Gogh, die bis heute die zweitgrößte van Gogh-Sammlung der Welt bilden Vor diesen Bildern versammeln sich die Bewunderer des Malers regelmäßig in dichten Reihen.
Was auffällt an den von Frau Müller erworbenen Kunstwerken ist eine gewisse Uneinheitlichkeit Sie kaufte direkt bei den Künstlern und nahm, was sie bekommen konnte. Das erklärt die qualitativen Unterschiede. Sie selbst begründete es damit, dass sie die Entwicklung der Malerei von ihren Anfängen bis in ihre Gegenwart in ihrer Sammlung darstellen wolle. Deshalb kauft sie auch 80 Gemälde des 15. Bis 17.Jahrhunderts sowie altägyptische, griechische, japanische und chinesische Zeichnungen die aus heutiger Sicht nicht so recht in eine Sammlung moderner Kunst zu passen scheinen.
In der Zeit der ersten Einkäufe war die angehende Sammlung ohne Heimat. Der weltberühmte Architekt H. P. Berlage hatte zwar Skizzen für ein Museum erstellt, die aber Frau Müller nicht gefielen. Der belgische Architekt Henry van der Velde schließlich entwarf einen ersten Museumsbau, aber er blieb unfertig. Bis 1938 entsteht nur ein provisorisches Gebäude, um die Sammlung unterbringen zu können. Frau Müller stirbt 1939, ihr Mann 1941. Im Krieg bleibt das Museum geschlossen.
Anfang der 1950er Jahre beginnt der eigentliche Erfolg des Museums und seiner Sammlung. Talentierte Direktoren erweitern ab 1953 kontinuierlich den Museumskomplex und verlegen den Schwerpunkt von Gemälden auf Skulpturen. Sie vergrößern den Skulpturenpark, der seither kontinuierlich weiter in den Wald hinein wächst. Anfang der 1950er Jahre entstehen dort von berühmten holländischen Architekten zudem zwei Pavillons, einer von Gerrit Rietveld für Werke von Barbara Hepworth und der andere von Aldo van Eyck für wechselnde Plastiken verschiedener Bildhauer.
Das Museum Kröller-Müller ist für den Besuch erfahrener Kunstliebhaber ebenso geeignet wie für Newcomer. Besonders die Skulpturen im freien Gelände profitieren von den verschiedenen Farben der Jahreszeiten und den unterschiedlichen Lichtsituationen am Himmel . Den Besucher darf es nicht wundern, wenn er im Wald Bäume entdeckt die keine Natur sind, sondern Kunst oder wenn Richard Serras Komposition dreier Cortenstahl-Platten wie der Eingang in die Unterwelt wirkt.