Das Ego des Architekten

Eine Besprechung des ironischen Buches von Wilhelm Kücker über seine Kollegen

„Schon früh in meinem Leben musste ich mich zwischen ehrlicher Arroganz und scheinheiliger Demut entscheiden. Ich entschied mich für die Arroganz“.
Frank Lloyd Wright

Was hat man den Architekten nicht schon alles vorgeworfen, dass sie Autisten und hochmütige Ignoranten sind, in deren Augen die Bürger „kulturell unterentwickelt“ seien, Zerstörer, die eine „unerträglich hässliche Welt“ schaffen. Architekten werden wie Politiker gerne auseinander genommen.


Aber selten zuvor hat ein ehemaliger Präsident des renommiertesten Berufsverbandes der Architekten, des BDA nämlich (Bund Deutscher Architekten), seine Kollegen so respektlos desavouiert und sarkastisch kritisiert, wie es Wilhelm Kücker in seinem kleinen Lesebuch „Das Ego des Architekten“ tut.

Der kurze Streifzug durch die Baugeschichte liest sich äußerst komprimiert und prägnant. Man genießt Kückers immenses Wissen, seine Fähigkeit, es verständlich und knapp zu formulieren und seinen Spaß an der Demontage der sog. grossen Architekten, auch Stararchitekten genannt, die alle für ihn verdächtig sind. Diese „Menschheitsbeglücker“, vor allem Le Corbusier und Gropius, aber auch Zaha Hadid, Herzog& de Meuron und Frank Gehry, die alle die Auffassung vertreten „ Wer, wenn nicht der Architekt, weiß, was das Wohl der Menschheit ist“, spießt Kücker genüsslich auf. Überhaupt ist ihm die gesamte Moderne, die diesen Ausspruch in der Charta von Athen, dem Katechismus des modernen Städtebaus, formulierte, ein Graus. Das Regelwerk Le Corbusiers „eine Anleitung zu künstlerischer Selbstverstümmelung“, Walter Gropius „zeitlebens ein Blender“, ein „gehandicapter Architekt“, weil er nicht zeichnen konnte.

In kurzen Kapiteln zu den verschiedenen „Architekturmoden“ der letzten Jahrzehnte, die seiner Meinung nach in immer kürzeren Abständen wechseln, zeichnet Kücker nach, was das Ego der Architekten daraus gemacht hat: High Tech, „eine Architektur aus Installationen“, Glasarchitektur, „üble Schwitzkästen, die rücksichtslos Energie verpulvern“. Das viel gelobte Daimler-Benz Museum nennt er einen „Doppelwhopper“, das Guggenheimmuseum vergleicht er mit einem „Blumenkohl“, und die Unart seiner Kollegen, blasenförmige Architektur aus dem Computer zu propagieren, kommentiert er lakonisch: „Blob reimt sich auf Flop.“
Doch Kücker kritisiert auch die älteren Architektursünden, die Zersiedelung, die Trabantenstädte, die Vorfertigung. Und die Stadtbauräte der unmittelbaren Nachkriegszeit, die in vielen Fällen direkt aus Hitlers Planungsstäben überlebt hatten und einfach weiter machten.

So sehr man als Leser Kückers Demontagen genießt, seine harsche Kritik gerät nie zum billigen Ressentiment. Zwar sieht er mit Thomas Bernhard, den er statt eines Vorwortes zitiert, die Welt der Architektur immer „stumpfsinniger“ werden, aber er liebt seinen Beruf viel zu sehr, um an der Architektur völlig zu verzweifeln. Er möchte sie nur einfacher, langsamer, dauerhafter, regional vielfältiger, stärker der Tradition verpflichtet, „mit Kopf und Hand entworfen“. Kücker ist ein lupenreiner Konservativer, in dessen Augen der Mensch zwar auch nicht so ist, wie er sein sollte, aber wenigstens heißt Bauen für ihn nicht, sich Denkmäler setzen zu wollen.

Wilhelm Kücker
Das Ego des Architekten
2o1o
Preis 14.5o E