Im Tod unsterblich

Eine kleine Ausstellung im Landesmuseum Bonn über neuere Bodenfunde

Unsterblich wäre man gern im Leben nicht unbedingt nachdem man gestorben ist. Doch die moderne Archäologie vermag mit ihren innovativen Methoden Tote, sprich Skelette zu lesen wie in einem Buch und Details über die Lebensweise von Verstorbenen zu entdecken, die sie wirklich unsterblich machen.

Haare, Zähne, Knochen und Mageninhalte lassen Aussagen nicht nur darüber zu, wie alt jemand war, als er starb, sondern auch wie und wo er lebte, was er zuletzt gegessen hat oder an welchen Mangelerscheinungen jemand litt, welchem Beruf er wahrscheinlich nachging und ob er dort, wo er begraben wurde, sein ganzes Leben verbracht hat.

Darüber hinaus verraten die Gräber und Graburnen selbst eine Menge über den Umgang der Lebenden mit ihren Toten, über die Gefühle, die sie ihnen gegenüber hatten.

Tote werden über ihr Ende hinaus nicht geliebt, höchstens wird ihr Andenken hochgeschrieben und geehrt. Im Allgemeinen jedoch hatte man vor den Gestorbenen Angst und befürchtete, dass sie aus dem Jenseits zurückkehren könnten, um den Überlebenden zu schaden und sich dafür zu rächen, dass diese noch lebten. Natürlich galt das nicht immer und überall. Bestattungsformen  variieren je nach Zeit und Geografie.

In den sog. Hockergräbern wurden die Toten sitzend oder hockend beerdigt, Arme und Beine waren gefesselt, um zu verhindern, dass sie  aus den Gräbern wieder hinaus klettern konnten. Als Bewohner des Jenseits waren die Toten den Lebenden unheimlich. Reste davon fühlen wir auch heute noch, wenn wir nachts über einen Friedhof gehen müssen; freiwillig würde man dergleichen wohl kaum tun.

Die kleine Ausstellung im Bonner Landesmuseum, die bis zum 20. August präsentiert wird, zeigt Fundstücke aus dem Jahre 2022. Insgesamt wurden in diesem Jahr rund 900 archäologische Maßnahmen durchgeführt, die größtenteils allerdings keineswegs spektakuläre Ergebnisse aufweisen.

Besucher oder Betrachter von archäologischen Grabungen und von dem, was man dort zu Tage fördert, verstehen unter „spektakulär“ etwas völlig anderes als Ausgräber. Laien denken an Goldmünzen, an Statuen und Rüstungen, an Schmuck und Glas .Über solche Funde freut sich natürlich auch der Ausgräber,  aber sie sind eher selten. Was Besucher häufig nicht wissen oder vergessen, ist, dass der Archäologe aus kleinsten Scherben, aus Dreckhaufen und gebrochenen Knochen ebenso viel lesen  kann wie aus kostbaren Grabbeigaben. Insofern freut sich der Archäologe über alles, was er findet, nicht nur über Großartiges.
Als Menschen noch Jäger und nicht sesshaft waren – in Mesopotamien war das um ca.10.000 v. C. im Rheinland dagegen ungefähr 5000 – 3000 v. C.– starben die Menschen unterwegs und nicht in einer festen Behausung. Die Menschen als Jäger lebten nicht mit den Gestorbenen, sondern diese wurden schnell und meist ohne großen Aufwand unter die Erde gebracht. Dann zog der Tross weiter. Aus dieser Zeit stammt der „Bogenschütze aus Rheinbach“. Er war um die 40 Jahre alt, auffallend an seinem Skelett war ein Wust am linken Unterarmknochen. Die Archäologen führten dies auf die permanente Belastung durch einen Bogen an dieser Stelle zurück - daher der Name. Die Zähne verrieten außer Karies, dass er lange Zeit außerhalb des Rheinlandes gelebt hatte.

Die Beschaffenheit des Bodens, in dem Verstorbene beerdigt werden, spielt eine große Rolle bei dem Erhalt von Knochen, Kleidung und Beigaben. Die kalkarmen Böden des Rheinlandes haben die Toten in meist sehr schlechtem Zustand konserviert.

In der Bronze-und Eisenzeit  (2150 v. C. bis Christi Geburt) sind die Menschen längst sesshaft geworden. Sie wohnen in festen Häusern und kleinen Dörfern. Ihre Toten werden in der Nähe der Behausungen der Lebenden bestattet. Häufig findet man in den Gräbern tönerne Schleudergeschosse, die bei der Jagd verwendet wurden, aber auch zur Verteidigung von Wohnstätten. Interessant ist, dass sich die Waffen in Männer- wie in Frauengräbern finden, was sonst selten vorkommt. Eigentlich sind Waffen Männersache, wovon hier eine Ausnahme gemacht wird, die viele Gründe haben kann.

Rätsel gibt auch ein Grab in Kuchenheim auf, in dem drei Personen bestattet sind, ein junger Krieger mit seinem Schwert, eine weitere
Person, die auf einem Schwert ruht und mit dem Rücken zur Grabwand liegt. Von der dritten Person gibt es nur den Kopf, der offensichtlich erst nach dem Tode abgetrennt wurde.
Bei solchen Funden muss man als Ausgräber aufpassen, dass die Phantasie bei der Interpretation nicht mit einem durchgeht. Welches Drama dieses Grab abbildet, wird nie endgültig geklärt werden. Aber DNA Analysen sollen beweisen, ob die drei Personen miteinander verwandt waren.

Aus der römischen Kaiserzeit sind im Rheinland zahlreiche Gräber gefunden worden, vor allem aber Grabsteine, die den unseren heute sehr nahe kommen. Die Grabsteine bilden vor allem Soldaten ab und flankieren zu Tausenden die Ausfallstraßen, auf denen sich die Soldaten durch das Römische Reich bewegten. Diese Grabstelen zeigen die Toten meist in einer Art Porträt, in Uniform, eine Inschrift in Latein nennt ihren Namen, den Geburtsort, den Rang als Soldat und in welcher Legion sie gedient haben.

Bei derart gesicherten Fakten bleibt dem Ausgräber wenig zu recherchieren. Schwieriger ist das schon bei einem Grab in Erkelenz, wo
sich über dem Grabstein  eine Art tempelartiger Überbau erhebt. Das Grab verweist durch diese  Sakralarchitektur auf eine besondere  Person, nämlich einer 32 jährigen Priesterin, Als Grabbeigabe wurde ein faltbarer Stuhl gefunden, auf dem die Bestattete während ihrer Zeremonien saß. Dieser Stuhl ist eine echte Rarität. Er besteht aus einer Vielzahl von eisernen Teilstücken, die alle miteinander durch lockere Scharniere verbunden sind. Man kann den Stuhl zusammen schieben und sehr leicht tragen, ein seltener Fund, der einen hohen handwerklichen Qualitätsstandard spiegelt.

Die kleine Ausstellung lohnt einen Besuch, der nicht länger als eine halbe Stunde dauern muss.