Wo Ende des 19.Jahrhunderts auf einer lang gestreckten Halbinsel vom damaligen Stadtbaumeister Stubben ein neuer Hafen angelegt wurde, geht heute Kölns größtes städtebauliches Projekt, ein attraktives Areal für exklusive Büros und Wohnungen, seiner Fertigstellung entgegen. Der alte Rheinauhafen, der seit Ende des 2.Weltkrieges an Bedeutung verlor und schließlich völlig brach fiel, hat aber eine enorme Standortgunst. Denn er liegt nahe zur Innenstadt und unmittelbar am Rhein mit Blick auf den Dom, das Wasser und die Poller Wiesen auf der anderen Flussseite. Er bildet sozusagen ein der Stadtkante vorgelagertes Quartier. Dies reicht vom stark frequentierten Schokoladenmuseum bis zum Hochhaus Kap am Südkai und ist 1,8 km lang, aber nur 2oo m tief. Die Rheinuferstrasse mit ihrem Verkehr riegelt das früher schon hermetisch gegenüber der Öffentlichkeit abgeschottete Hafengebiet nach wie vor zur Stadt ab.
Ein städtebaulicher Wettbewerb aus dem Jahre 1992, den das Hamburger Büro BRT Bothe Richter Teherani gewann, legte die Grundlage für die heutige Entwicklung. Diese dauerte fast 15 Jahre, wurde aber wundersamerweise weder durch kölschen Klüngel noch eine unkoordiniert arbeitende Verwaltung verschleppt oder verwässert. Entstanden ist ein nicht unbedingt elegantes, aber modernes Viertel, dessen sachlich- nüchterne Einzelbauten man sich in Teilen aufregender gewünscht hätte, das aber eine klare durchgängige Handschrift aufweist, „ eine in Köln recht seltene städtebauliche Stringenz“, wie der Kölner Architekt Walter von Lom meint. Etwas steril ist das neue Viertel schon, was bei der einseitigen Nutzungsmischung von ca. 15o.ooo m2 Bürofläche und nur ca. 55o Wohnungen nicht verwundert. Galerien, Restaurants, ein Hotel können die Einseitigkeit des Viertels an Alltagen nicht aufbrechen. An Wochenenden dagegen nehmen stolze Kölner das Viertel unter die Füsse und sonnen sich in der gewissen Weltläufigkeit dieses der Stadt zurück gegebenen Stadtteiles, der in Deutschland seinesgleichen sucht. Im übrigen ist das Quartier eine funkelnde Nachtschönheit, die weit sichtbar einen für Köln seltenen Neuanfang signalisiert.
Das ästhetische Plus des neuen Quartiers sind die alten Speicher und Kontorbauten, die, umgebaut und neu genutzt, inmitten der nüchternen Neubauten einen eigenartigen Reiz gewinnen. Das Silo 23, ein alter Getreidespeicher, bekrönt von einem nahezu pagodenartigen Dachhelm, war zum Abriß freigegeben und gewann nach völliger Entkernung und der Einfügung eines symmetrischen Fensterrasters in die bis dahin fensterlose Aussenfassade (Architekten: Kister Scheithauer Groß) ein überzeugendes
neues Aussehen. Ähnlich einnehmend ist die langgestreckte Halle 11, eine 1898 gebaute und unter Denkmalschutz stehende Zollhalle, die zu Büros umgewidmet wurde. Die neuen Fensteröffnungen, ohne die eine Nutzung nicht möglich gewesen wäre, fügen sich vorsichtig neben die basaltgefassten alten Fenster, und das Nebeneinander von Alt und Neu wirkt fast selbstverständlich (Architekten: JSWD Jaspert Steffens Watrin Drehsen). Der besondere Anziehungspunkt dieses von aussen eher nüchternen Baus ist eine im Erdgeschoß erhaltene, fast 2ooo m2 grosse Halle. Ihr gemauertes Kreuzrippengewölbe gibt dem Ort den festlichen Charakter eines Sakralbaus. Am faszinierendsten allerdings ist das sog. Siebengebirge, ein von steilen Dächern und Türmen konturierter 17o m langer, alter Getreidespeicher, der die Silhouette des Viertels bestimmt. Er wurde zu Wohnungen umgebaut, was bedeutete, dass in die 22 m tiefen Räume zum Rhein hin Fenster eingebaut werden mussten, damit die Bewohner ohne Nachteile und für das teuere Geld, das sie für diese Eigentumswohnungen gezahlt haben, luxuriös wohnen können (Archiekten: Kister Scheithauer Groß).
Die auffallendsten Neubauten des Viertels sind drei sog.Kranhäuser, deren Signalwirkung den Ausschlag für den 1.Preis im Wettbewerb gab (Architekt: Hadid Teherani). Doch ihre ästhetische Verwandschaft zu den alten Hafenkränen ist in der Ausarbeitung verloren gegangen. Zu glatt, zu kühl überragen die Hochhäuser die anderen Bauten. Die Tatsache, dass das schon 2oo8 fertig gewordene Kranhaus Mitte mit seiner nachhaltigen Fassade auf der Messe MIPIM dafür den begehrten Immobilienpreis bekam, ändert an dieser Beurteilung nichts. Viele Besucher schütteln den Kopf, wenn sie sich vorstellen, in den Schwindel erregenden, weit überkragenden Gebäudeteilen wohnen oder arbeiten zu müssen. Ein starker Blickfang sind die raumgreifenden Kranhäuser zweifellos, aber zu klobig, um Baukunst zu sein.
Das erste fertiggestellte und damit den ästhetischen Ton des Quartiers prägende Gebäude war das Kap am Südkai (Architekten: Engel und Zimmermann GmbH). Die Kombination aus langgestrecktem Gebäudeteil parallel zur Wasserkante und dem 1ogeschossigen Hochhaus bildet den markanten Auftakt bzw. Abschluß des Rheinauhafens. Die Qualität dieses zunächst nur nüchtern anmutenden Baus bedarf des zweiten Blickes, um die Details seiner geschuppten Fassade und seine geschickte Gliederung zu erkennen.
Im Rhein 3 (Architekten: Esser und Hellriegel), einem transparenten Wohnhaus, entstanden großzügige Eigentumswohnungen mit überwältigendem Blick auf den Fluß. Das 6 geschossige Kontorhaus 19, das auf die Rheinuferstrasse bezogen ist (Architekten: Gatermann und Schossig) ist ein hartkantiges Rechteck mit der inzwischen weit verbreiteten unregelmässigen Fassade, in der unterschiedlich breite Fenster den Rythmus bestimmen. Pier 15 der Architekten Römer Partner, das sich dem Binnenbecken des Yachthafens zuwendet, löst die schiere Größe seines Baus in zwei separate Trakte auf. Zwischen ihnen eine Freitreppe, die eine Durchsicht in die Tiefe des Geländes ermöglicht. Klare Konturen, ein heller Sandstein und eine strenge, aber abwechslungsreiche Fassade machen dieses Ensemble zu einem der überzeugendsten des Viertels. Auch hier braucht es den zweiten Blick, um gestalterische Feinheiten zu erkennen. Von demselben Architekten stammt die Wohnwerft 18.2o, eine wunderschöne Architektur mit 72 Wohnungen. In diesem Ensemble, dessen kubische Gestaltung an gestapelte Container erinnert, möchten viele wohnen. Römer bezieht sich bei seinen weissen Haus auf das Bauhaus, dessen flächige Architektursprache er überzeugend- räumlich weiter entwickelt.
Das Freiraumkonzept des neuen Rheinauhafens, in dem 25oo neue Arbeitsplätze entstanden sein sollen, ist robust und nimmt Bezug auf die frühere Nutzung: das Natursteinpflaster wurde erhalten, alte Schienenstränge belassen, ausrangierte Hafenkräne wie Plastiken in den öffentlichen Raum gesetzt. Die Erschliessung in linerare Wege und kleine Plätze, in geschlossene und öffentliche Räume, ist zurückhaltend und überzeugend, Treppen bringen Rhythmus in den „Boulevard“, der seinen Namen erst noch verdienen muß. Fehlt nur das Leben und seine Vielfalt.