Un-Heim-lich

Eine Ausstellung im Kunstmuseum Bonn

Unheimlich ist ein Zustand, der Heim und Heimat zu einem ungemütlichen Ort macht, der bedrohlich und beklemmend ist. Unser Zuhause, unser Heim, sollte aber eigentlich ein Rückzugsort sein und vor Widrigkeiten geschützt, wo wir uns wohl fühlen können und geborgen sind.

Unser Zuhause ist ein privater Ort im Gegensatz zum öffentlichen. Hier können wir tun und lassen, was wir wollen, hier sind wir Herr im Haus und sollten uns nicht fürchten müssen.
Unser Haus ist wie eine dritte Haut und stellt damit eine physische und psychische Dimension unseres eigenen Körpers und unseres Selbst dar.
Was das Heim bedroht, bedroht auch unsere Existenz und unser Selbstwert- und Sicherheitsgefühl. Das Heim, unsere Heimat, sollte kein Ort der Verunsicherung und der Angst sein.

Genau dieses Thema behandelt zur Zeit eine eindringliche Ausstellung im Kunstmuseum Bonn, die am 29. Januar zu Ende geht. In zahlreichen Gemälden vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die erste Hälfte des 20 .Jahrhunderts mit Werken von James Ensor, Max Klinger, Otto Dix, Max Beckmann, Erich Heckel, Karl Hofer, Alfred Rubin, Edvard Munch u.a. werden die Ursachen, die Inhalte und Folgen eines Einbruches des Schreckens in unsere scheinbar unantastbare und sichere Privatsphäre gezeigt.

Jedem von uns kommt bei diesen Ausführungen wohl zuerst „Der Schrei“ von Edvard Munch in den Kopf: eine ausgemergelte Gestalt auf einem einsamen Weg, die Hände verzweifelt an den Kopf gehoben, den Mund weit zum Schrei geöffnet. Entsetzen und Isolation suggeriert das Bild.. Dieses wohl teuerste Gemälde der Moderne ist allerdings nicht Teil der Ausstellung.

An mehr als 100 Gemälden, Zeichnungen und Druckarbeiten von 25 Künstlern wird der Einbruch der Schwärze, der Nacht, des Dunkels, der Schatten in die so sichere Welt unseres gewöhnlich hellen Interieurs gleichwohl ähnlich wie bei dem „Schrei“ illustriert. Gespenster, Albträume, Chimären, Selbstmörder und Tote bevölkern die Räume, Leere und Einsamkeit bestimmen die verstörende Macht des unheimlichen Heimes. Sicherheit und Glück finden in diesen Innenwelten nicht mehr statt, Unsicherheit und Entsetzen beherrschen stattdessen jeden Winkel.

Hilfreich die Strukturierung und die Ordnung der Bilderthematiken in neun zueinander gehörige Gruppen, obwohl sich wie selten sonst in Ausstellungen die Bilder von allein erklären.
In „Verschwinden“ werden Gemälde gezeigt, die die Menschen im Raum aufsaugen und dabei auslöschen. In Pierre Bonnards „Interieur mit zwei Kindern“ (1902) sind die beiden vor den dunklen Farben des Zimmers kaum noch zu erkennen.
Im „Raum der Einsamkeit“ steht Edvard Munch „Alexandria Thaulow“ wie ein schwarzer Schatten vor der Wand, allein, starr und bewegungslos.
In „Albträume“ erscheint im „Traum des Gefangenen“ von Alfred Kubin (1899) die Vision einer lockenden Frau als weisses, fahles Gespenst.
In „Kein Entkommen“ wirkt „Die Treppe“ und ihr schwarzer Schatten von Xavier Mellery (oJ. )nicht wie ein Weg, der irgendwohin führt, sondern wie ein unüberwindbarer Grenzzaun oder wie ein Gefängnisgitter.
„Im Schattenreich“ hängen die Umhänge des „Friseursalons“ von Léon Spilliaert wie körperlose Skelette an Haken vor der Wand.
In „Die Dinge“ wird das Tote lebendig und narrt die Menschen.
Im „Totenhaus“ zeigt sich James Ensor in „Mein Porträt“ (1889) mit dem darunter sichtbaren Totenschädel.
Die Bilder in der Gruppe „Die Anderen“ zeigen eine Masse grotesker, wenig Vertrauen erweckender Gestalten, denen man an den gezeigten, trostlosen Orten nicht begegnen möchte.
„Tatorte“ sprechen für sich selbst. Sie beherbergen die Schrecken des Mordes und des Selbstmordes. Otto Dix „Lustmörder“ ist ein schwer erträglicher, lustvoll grinsender Mann, der mit menschlichen Körperteilen zu jonglieren scheint.

Eine verstörende Ausstellung. Dazu ein kluger Katalog von dem Kurator Volker Adolphs, erschienen beim Hirmer Verlag, der im besten Sinne ein Sachbuch zum Thema „un-Heim-lich“ ist.