Die Böhme - Architektur einer Familie

Ein Film

Der Dokumentarfilm in Kinolänge (87 Minuten) von Maurizius Staerkle- Drux, der gerade deutschlandweit angelaufen ist, befaßt sich mit der Kölner Architektenfamilie um Gottfried Böhm und seinen drei Söhnen Stephan, Peter und Paul.
Schon deren Großvater, Dominikus Böhm (1880-1955), der vor allem als Kirchenbauer bekannt wurde, war ein sehr innovativer Baumeister. Doch
sein Sohn Gottfried, der mit seinen skulpturalen Bauten aus Beton, Stahl und Glas - der bekannteste ist der kristalline Raum der Kirche in Nevides - das Deutschland der Nachkriegszeit prägte und 1986 als bisher einziger deutscher Architekt dafür den renommierten Pritzkerpreis bekam, übertrifft seinen Vater in der Fülle des Oeuvres und im expressiven Formenreichtum seiner Bauten.
Gottfried Böhme Söhne wiederum, jeder ein angesehener Architekt mit eigenem Büro, stehen bis heute eindeutig im Schatten ihres übermächtig berühmten Vaters.

Der Mittelpunkt dieser Männerfamilie war Elisabeth Böhm, Ehefrau und Mutter, eine zierliche, äußerst energische und zielstrebige Frau, die ebenfalls Architektin war, aber freiwillig hinter ihren Männern zurückstand. Sie starb 2012, und damit fiel die Kritikerin und Inspirationsquelle der Familie Böhm aus.
Was genau der Anlaß für den preisgekrönten Film des 27 jährigen Schweizers war - ob der 95.Geburtstag von Gottfried Böhm oder die schiere Faszination einer solchen Familie -  wird nicht ganz klar. Der Regisseur jedenfalls begleitete Leben und Arbeiten im Hause Böhm über zwei Jahre mit der Kamera. Herausgekommen ist kein klassischer Architekturfilm, wie der Titel vielleicht meinen läßt, keine Analyse des Entwerfens, der Formsuche und der Materialwahl, sondern eher das avisierte „prägnante und emotional aufgeladene Porträt einer einzigartigen Architekturfamilie.“
Eben diese Emotionalität ist manchmal schwierig zu ertragen, vor allem dann, wenn die Kamera über lange Zeit des Films anrührende, ja intime Einblicke in Elisabeth Böhme Leben gibt, die  vor ihrem Tod verwirrt und dement war und genau dieses festgehalten wird. Für die Familie mag dies ganz selbstverständlich gewesen sein, für den Außenstehenden ist es ein wenig befremdlich.
Überzeugend und plausibel dagegen die gegenseitige Kritik der vier Architekten an ihren Bauten und die Konkurrenz vor allem zwischen Vater und Söhnen, die Peter Böhm bei der Einweihung des Museums der Ägyptischen Kunst in München im vorigen Jahr zu der ehrlichen Äußerung veranlaßte, er habe seinen Vater nicht dabei haben wollen, weil er sonst in dessen Schatten gestanden hätte.
Die „Komplexität von Leben, Liebe, Glauben und Bau(Kunst)“, so die Erklärung zum Film des jungen Regisseurs, ist als Ziel vielleicht ein wenig zu hoch gegriffen, dennoch gelingt dies dort, wo die Kamera Gottfried Böhm beim Zeichnen über die Schulter blickt und beim Nachdenken beobachtet und ihn dabei nicht als den genialen Baumeister zeigt, sondern so wie man ihn jahrzehntelang kennt: in alter Joppe, lakonisch in der Sprache, altmodisch und zunehmend einsam in seinem Wohnhaus am Rhein in Weiss, im Büro in Marienburg, in der Pariser Wohnung, die das Werk von Elisabeth Böhm war. Eine überschaubare Welt, in der es aber zu großartigen Landschaftsaufnahmen in den kleinen Gärten kommt.

Es gibt viele Filme über Häuser und Bauten bekannter Architekten, aber kaum solche über die Persönlichkeiten der Baumeister selbst.
Der vielleicht beste diesbezügliche Film, der den schmalen Grat zwischen biografischer Neugier und architektonischer Faszination grandios meistert, ist „My Architect“. Er entstand 2003 und wurde von Nathaniel Kahn, dem unehelichen Sohn des 1974 verstorbenen Louis Kahn gedreht. Der Sohn, der seinen Vater nie kennen gelernt hat, versucht in diesem Film, dem Werk und der Persönlichkeit eines fremden Vaters auf die Spur zu kommen. Auch dies eine sehr emotionale Annäherung, aber die nachgetragene Liebe und Neugier angesichts eines seit 3o Jahren verstorbenen Architektenvaters macht
dieses Porträt eine wohltuende Spur nüchterner als den Film über „die Böhms“.