„Tierisch was los“

Eine Ausstellung über Tiere und Menschen

Um es vorab festzustellen: die kleine Ausstellung (bis zum 26.3.2023) der Rausammlung im Arp Museum ist nicht sehr qualitätsvoll und wegen inhaltlicher Lücken nicht sehr interessant. Aber das Thema ist es, denn  Kunstausstellungen vernachlässigen seit langem die Beziehung von Mensch und Tier als künstlerischem Topos. Vor allem aber ist der Hintergrund dieser engen Verbindung und ihrer Entwicklung  ein wichtiger Bestandteil der Menschheitsgeschichte. So wie sich der Mensch in Jahrtausenden weiter entwickelt hat, so auch das Tier und das Verhältnis beider zu einander. Aus vielen der wilden Tiere der Steinzeit wurden Haustiere, und der Mensch hat gelernt, dass er ohne Tiere nicht lebensfähig ist.

Die ältesten Darstellungen der Welt, die Tiere zeigen, sind Höhlenmalereien mit Wisenten und Löwen aus Indonesien, signiert mit dem Handabdruck des oder der Künstler. In Europa stammen ähnliche Höhlenmalereien aus der Zeit um 35.000 v. C. Die Menschen dieser Zeit waren Jäger und Sammler, die sich von mühselig erbeuteten Tieren ernährten. Die meisten dieser Tiere sind dem Menschen feindlich, man fürchtet sie. Um ihre Jagd leichter zu machen, hält man sie in großen Bildern an den Wänden von Höhlen fest. Diesem sogenannten Jagdzauber liegt die magische Überzeugung zugrunde, dass abgebildete Tiere eine leichte Beute sind.

Um ca. 10.000 v. C. beginnt der Mensch, sesshaft zu werden.. Er streift nicht länger umher, sondern lässt sich an einem Ort nieder. Ehemals wilde Tiere wie Pferde, Schafe, Ziegen, Schweine, Hühner gewöhnen sich an den Menschen, werden zahm und zu Haustieren. Die Züchtung und Zähmung des Hundes dürfte schon 15.000 Jahre vorher stattgefunden haben.

Der Übergang vom Jagen zum Siedeln wird von Wissenschaftlern in dem Bereich des Fruchtbaren Halbmondes in der heutigen Türkei angesiedelt, wo auch das Paradies vermutet wird. Die beiden biblischen Figuren Kain und Abel scheinen mit ihren Merkmalen auf die Entwicklung vom Jäger zum Bauern zu verweisen. Abels Tieropfer an Gott ist typisch für einen Jäger, Kain dagegen opfert die Früchte des Feldes, die Entscheidung eines Bauern.

Domestiziert erhalten die Tiere, die von Jägern aus Nahrungsgründen gejagt wurden und deren Fell Kleidung lieferte, neue Funktionen. Sie tragen Lasten, helfen beim Pflügen, sie bewachen Haus und Hof und liefern durch Eier, Milch und Fleisch einen ständigen Beitrag zur täglichen Ernährung. Wildpferde werden zu Reittieren und helfen bei der Überwindung großer Distanzen und im Krieg. Die Anpassung und Gewöhnung von Mensch und Tier aneinander wächst, ein Vorgang, der sich bis heute fortsetzt.

Durch zunehmende Technisierung aber verlieren heute Haustiere ihre über die Jahrtausende gewohnten Funktionen, sie werden nutzlos .Das Auto ersetzt das Pferd als Transportmittel. Kaum ein Hund wird heute noch zur Bewachung eines Hauses oder Grundstücks eingesetzt. Hunde werden auf Grund ihrer feinen Nase zu Therapeuten. Sie erschnüffeln Krebs und Diabetes, versteckte Drogen und finden Lawinenopfer. Hunde sind Begleiter von Blinden, und keine andere tierische Spezies ist so vielfältig  einsetzbar - unabhängig von Größe und Rasse.

Affen waren die Ersten in der Raumfahrt, Wissenschaftler studieren Delfine oder Fledermäuse, um deren Fähigkeiten in neuen Wissensgebieten einzusetzen. Biologen erkunden tierische Eigenheiten, um nach ihrem Vorbild neue Stoffe und Bewegungsformen zu entwickeln.

Trotz aller emotionalen Annäherung von Mensch und Tier halten sich frühe Bedeutungen aus Märchen und Mythen bis heute. Die schwarze Katze, die unseren Weg kreuzt, gilt Abergläubigen nach wie vor als Gefahrensymbol, der Elefant verspricht Glück und Treue trotz oder gerade wegen seiner mächtigen Gestalt. Redewendungen, dass jemand schlau ist wie ein Fuchs, gibt es in großer Zahl. Manche Ehefrau wird nach wie vor als Drache bezeichnet.

Die Vermenschlichung des Tieres wie im Märchen „Der gestiefelte Kater“, wo ein als Mensch verkleideter Kater seine überlegene Intelligenz beweist, als er einen Zauberer bittet, sich in eine Maus zu verwandeln und diese dann im entscheidenden Moment als Katze verschlingt. Überhaupt, was wären Kinderfilme ohne Tiere im Aussehen und Auftreten wie Menschen?

In der Frühzeit gab es eine Fülle von Zwischenformen von Mensch und Tier, z.B. die Centauren oder Meerjungfrauen. Diese Mischlinge, die klare Abgrenzungen verschwimmen ließen, waren gefürchtet. Man konnte sie nicht genau zuordnen, weswegen sie häufig zu Gottheiten erklärt wurden. Ein solches Kraftzeichen ist die Sphinx in ihrer Gestalt aus Mensch und Löwe. Der Greif, eine Mischform aus Löwe, Adler, Schlange und Fisch, verkörpert in den vier Elementen, aus denen er besteht,  ein  nicht zu überbietendes Symbol  an Kraft und Stärke.

In der über 3.000 Jahre alten ägyptischen Kunst gibt es eine solche Fülle an Mischwesen, an die selbst die darstellende Kunst des Hinduismus nicht heranreicht. Anubis, der Totengott, ist schakalköpfig, Bastet, die Göttin der Fruchtbarkeit, ist eine äußerst populäre, katzenköpfige Gottheit, die in hunderttausenden kleiner Statuen verehrt wurde.

So wurden auch Katzen nach ihrem Tod mumifiziert  und als Grabbeigabe eines Menschen beerdigt. Die Ausstellung zeigt dies in einigen kleinen Katzensärgen. Horus, der Sohn der Gottheiten Isis und Osiris, war als Sonnengott der oberste aller ägyptischen Götter und wird in allen Situationen falkenköpfig dargestellt.

Tiere waren und sind eine Bereicherung für den Menschen, umgekehrt ist das sicher nicht der Fall. Dennoch spielte sich der Mensch in seiner Geschichte immer hochmütig als den Tieren überlegen auf. Forscher widmen der Frage, inwieweit der Mensch nicht nur vom Tier abstammt sondern selbst noch Tier ist, zunehmend Aufmerksamkeit. Gemeinsam sind beiden der Stoffwechsel, die Sinnesorgane, die Empfindungsfähigkeit und die Art der Fortpflanzung. Dennoch stellt sich selbst heute noch der Mensch weitgehend über das Tier. Dabei sind selbst kleine Tiere wie der Hase in Sachen Schnelligkeit dem Menschen körperlich überlegen. Auf der 100 m Strecke ist der Hase doppelt so flink wie Usain Bolt.

Tiere können, was man bis vor kurzem angezweifelt hat, Werkzeuge herstellen, um damit Kokosnüsse oder andere harte Früchte zu knacken. Raben weisen eine Beobachtungsintelligenz auf, die bei durchschnittlichen Menschen nicht erreicht wird.

In der Kunst sind das keine Themen. Stattdessen werden beispielsweise elegante Jagdhunde jahrhundertelang wie auf dem Bild eines jungen Adligen (1662) von Abraham van den Tempel als Statussymbole benutzt, so wie junge Kapitalisten heute gern ihre motorkräftigen Porsche zeigen.

Absolut herabwürdigend wirken zahlreiche Malereien auf großer Leinwand, wenn Tiere als tote Jagdbeute  inszeniert werden, dekoriert mit Blumen und Blättern, oder als riesige Braten inmitten von anderen essbaren Köstlichkeiten gezeigt werden. Solche äußerst beliebten Schaustellungen gibt es von zahlreichen großen Malern des 17.und 18.Jahrhunderts. Sie sollen dokumentieren, dass man sich solche Herrlichkeiten leisten kann. In diesen  prächtigen Bildern lebt die alte Gewissheit fort, dass Tiere vor allem für die Nahrung des Menschen bestimmt sind.

Komische Aspekte aus dem gemeinsamen Leben von Mensch und Tier gibt es in der Kunst kaum, es sei denn in Zirkusbildern. Aber die „Zeit“ hat sich für die letzte Seite ihrer wöchentlichen Zeitung etwas einfallen lassen, das zwar keine Kunst ist, einen aber schmunzeln macht. Unter der Überschrift „Du siehst aus, wie ich mich fühle“ bringt sie Fotos von Tieren aller Art, die amüsant, skurril, nervös, depressiv, übermütig, traurig, sonderbar oder würdig in Aussehen und Haltung wirken, auf alle Fälle aber komisch erscheinen und zum Lachen reizen. Die Fotos fordern zu Übertragungen auf,  Menschen lesen in die Physiognomie der abgebildeten Tiere Gefühle oder Stimmungen hinein, die diese nicht haben. Sie sehen so natürlich aus, wie die Natur sie geschaffen hat. Würde man unter dieser Überschrift Menschen, ihr Aussehen und ihre Gesichtsausdrücke abbilden, würden sie diese als verletzend und degradierend empfinden.